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Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman

Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman

Titel: Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Florin
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fühlte, wie Pavarotti ihre Hand drückte. Auch das tat höllisch weh, und sie stieß einen hohen Schmerzlaut aus. Sofort ließ er ihre Hand los. Sie spürte, dass sie hochgehoben wurde, und dass Pavarotti ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich.
    »Alles ist gut. Schlaf jetzt. Du kommst wieder ganz in Ordnung, glaub mir.«
    Was wahrscheinlich gelogen war. Durch den Nebel in Lissies Kopf irrlichterten Wort- und Satzfetzen. Sie wusste nicht, warum sie sich plötzlich an einen Satz erinnerte, den mal ein Kreter gesagt hatte: Alle Kreter sind Lügner. Ob das auch für Italiener galt? Aber da war doch irgendwas mit einem Paradoxon gewesen. Bevor ihr einfiel, was es damit auf sich hatte, wurde sie wieder bewusstlos.
    * * *
    Pavarotti trat widerstrebend zurück, als die Sanitäter die Trage in den Wagen schoben und die Hecktüren zuschlugen. Während er dem sich entfernenden Krankenwagen hinterherschaute, stieg eine Welle von Wut und Schuldgefühlen in ihm hoch und schlug über ihm zusammen. Unwillkürlich ballte er die Fäuste. Dass Lissie fast gestorben wäre und nun mit Rauchvergiftung und Verbrennungen an den Armen auf dem Weg in die Notaufnahme des Unfallkrankenhauses Bozen war, daran trug er eine beträchtliche Mitschuld.
    Pavarotti schloss die Augen. Ihm wurde schwindlig, und er hatte einen sauren Geschmack im Mund, als ob er sich gerade übergeben hätte. Was hatte er sich nur dabei gedacht, eine Privatperson zu seiner Gehilfin zu machen und sie einer solchen Gefahr auszusetzen? Es war doch unvermeidlich gewesen, dass es sich in einem Kaff wie Meran in Windeseile herumsprach, wenn irgendjemand neugierige Fragen stellte. Er musste sich eingestehen, dass er Lissie spätestens dann aus dem Spiel hätte nehmen müssen, als er merkte, dass sie keine Antenne für gefährliche Situationen hatte und das Wort »Vorsicht« in ihrem Wortschatz überhaupt nicht vorkam.
    Die Hände tief in den Manteltaschen vergraben, drehte Pavarotti sich um und ging auf eines der beiden Löschfahrzeuge zu. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als das beklemmende Gefühl in seiner Brust zu ignorieren, damit er seine Arbeit machen konnte.
    Die Feuerwehrleute hatten den Brand mittlerweile unter Kontrolle. Das Wichtigste war gewesen, zu verhindern, dass sich das Feuer auf die angrenzenden Häuser ausbreitete. Vorsichtshalber waren die beiden Nachbarhäuser evakuiert worden. Die Bewohner standen geschockt auf der Straße und starrten auf das rauchende Gerippe des ehemaligen Elektrogeschäfts.
    Ein Feuerwehrmann, der die Wasserzufuhr am Löschwagen regulierte, fing den Blick Pavarottis auf und zuckte die Achseln. Das Haus war nicht mehr zu retten gewesen. Die alten, morschen Holzbalken hatten offenbar gebrannt wie Zunder. Die Erleichterung, dass oberhalb des Brandherds bloß ein Speicher war und keine Wohnung, in der noch Menschen sein konnten, war den Gesichtern der Helfer deutlich anzusehen.
    Pavarotti seufzte. Er fragte sich, ob der Brand tatsächlich mit seinem Fall in Verbindung stand oder ob Lissie durch Zufall in etwas ganz anderes hineingeraten war. Es gab kaum Zweifel, dass es sich um Brandstiftung handelte. Die Feuerwehr war im ehemaligen Verkaufsraum auf drei verkohlte Plastik-Benzinkanister gestoßen. Natürlich würde sich der Brandexperte der Spurensicherung die Brandstelle vornehmen, aber das war in Pavarottis Augen reine Formsache. Versicherungsbetrug? Das Geschäft hatte sicher kaum noch etwas eingebracht, mutmaßte Pavarotti. Vom Ladenbesitzer war weit und breit nichts zu sehen.
    Er zog ein Taschentuch aus der Hosentasche und hielt es sich vor sein Gesicht, aber der Gestank drang durch den Zellstoff. Über der ganzen Straße hing ein widerlicher Geruch aus verkohltem Elektroschrott und verbrannten Plastikteilen. Den Nachbarhäusern war zwar nichts passiert, aber der Geruch würde sich noch ziemlich lange in den Wohnungen halten. Und würde die Bewohner noch eine ganze Weile an den Schrecken erinnern, den sie an diesem Tag bekommen hatten.
    Pavarotti öffnete die Tür zum ersten Löschfahrzeug und schaffte es mit einiger Mühe, sich auf den Fahrersitz zu schwingen. Auf dem Beifahrersitz kauerte eine junge Frau. Sie hatte die Beine an den Körper gezogen, zitterte trotz der Decke, in die sie gewickelt war, und verbreitete einen penetranten Geruch nach Rauch. Trotz der Ruß- und Tränenspuren auf ihrem blassen Gesicht erkannte Pavarotti sie sofort.
    »Geht es Ihnen so weit gut, dass ich Sie etwas fragen kann?«, sagte er sanft.

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