Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman
anderen Frauen angefangen, mit denen, die Geld hatten. Hat wohl gehofft, dass ihn eine von denen nimmt. Er sah ja ganz gut aus früher, wenn man den Fotos glaubt.« Dann lachte sie gehässig. »Aber ihn hat nie eine von denen genommen. Er kam immer wieder zu uns zurück, wie ein falscher Fünfziger. Mutter und ich waren die Lückenbüßer. Bis er die Nächste gefunden hat.«
Sie hielt kurz inne und setzte leiser nach: »Die Scheinheiligkeit der Leut war das Schlimmste. Für Mutter war’s ein Spießrutenlaufen, solange sie gelebt hat. Hat aber nicht lang gedauert.«
Pavarotti nickte und schloss behutsam die Fahrzeugtür. Er machte sich auf eine lange Nacht im Steinbruch gefasst, aber das war ihm egal. Es sah aus, als ob in diesen vertrackten Fall endlich Bewegung gekommen war.
* * *
Pavarotti stand am Rand der Ausschachtung und spähte in die Tiefe. Was sich unter ihm ausbreitete, war kein richtiger Steinbruch, sondern eigentlich nur eine Kiesgrube. Die Grube war nicht besonders tief, höchstens fünf, sechs Meter. Aber das reichte offenbar, um sich mit dem Auto den Hals zu brechen, wenn man es darauf anlegte. Man brauchte bloß den Wagen auf dem Waldweg, der auf die Grube zuführte, ordentlich auf Touren zu bringen, mit hoher Geschwindigkeit über den Rand zu schießen und eine harte Landung und einen Überschlag hinzulegen, der darin kulminierte, dass man mit dem Dach auf den Boden knallte. Jedenfalls war es nach Ansicht von Arnold Kohlgruber so passiert.
Pavarotti neigte dazu, Kohlgruber diesmal recht zu geben. Hier handelte es sich nicht um Fremdverschulden. Die Reifenspuren und die Geschichte, die Pavarotti aus Aschenbrenners Tochter herausgeholt hatte, warfen ein ziemlich klares Licht auf den Hergang.
Der schlammbespritzte Volvo lag auf dem Dach in einer großen Wasserpfütze, die sich nach den Regengüssen auf dem Boden der Senke gebildet hatte. Das Kennzeichen des Wagens stimmte mit dem von Aschenbrenners Volvo überein. Emmenegger hatte bereits bei der Kfz-Stelle angerufen.
Das einzig Positive an diesem Abend war, dass es ausnahmsweise mal nicht regnete. Trotzdem hatte Pavarotti keine Lust, in die Grube hinunterzuklettern. Er hielt es außerdem für zu gefährlich bei seinem Körpergewicht. Zwar führte ein halbwegs befestigter Schotterweg nach unten, aber auch der war mittlerweile aufgeweicht und schlammig. Ein falscher Schritt würde genügen, um die ganze Chose ins Rutschen zu bringen.
Die Spusi hatte ein halbes Dutzend Strahler an den Rändern der Senke in Stellung gebracht. Pavarotti hoffte, dass Kohlgrubers Team wenigstens so viel Vorsicht hatte walten lassen, die Geräte sicher im Untergrund zu verankern. Er sah förmlich vor sich, wie einer der schweren Strahler umkippte, in die Grube fiel und dem Unglückswagen mitsamt Aschenbrenners Leiche den Rest gab. Was wäre das für eine fette Schlagzeile in den »Dolomiten«! Pavarotti entfuhr ein Stöhnen, als er an den Medienzirkus dachte. Bisher hatte die örtliche Presse kritisch, aber in gemäßigtem Ton über die Todesfälle berichtet. Wahrscheinlich hatte der Verleger der »Dolomiten«, von dem alle wussten, dass er ein guter Bekannter der Felderer-Familie war, einer blutrünstigen Berichterstattung den Riegel vorgeschoben. Aber jetzt, nach der dritten Leiche, würde die Pressemeute nicht mehr zu bremsen sein. Außerdem würden die »Dolomiten« wesentlich massiver als bisher Aufklärung durch die Polizei fordern. Schließlich hatte die Frühjahrssaison gerade angefangen.
Aufklärung, das können sie haben, dachte Pavarotti. Die Presse wird sich wundern. Und dann vielleicht sogar eine Beförderung, oder wenigstens eine Versetzung nach Mailand? Nie mehr Meran … Einen Moment lang gab sich Pavarotti seinem Tagtraum hin, dann verscheuchte er ihn.
Kohlgruber tauchte auf dem Weg auf und bewältigte den letzten Höhenmeter mit einem Ächzer. Er stellte sich neben ihn und zündete sich eine Zigarette an. Pavarotti rümpfte die Nase und wollte schon eine bissige Bemerkung loslassen. Doch als er den leeren, nach innen gerichteten Gesichtsausdruck Kohlgrubers sah, mit dem der nach unten starrte, schloss er den Mund wieder. Kohlgrubers Augen verfolgten die Bewegungen seiner Mitarbeiter. Trotzdem machte er auf Pavarotti nicht den Eindruck, als würde er wirklich wahrnehmen, was sein Team da unten tat.
Die drei Spusi-Leute bewegten Käscher im Regenwasser hin und her, auf der Suche nach Gegenständen, die aus dem Wagen gefallen waren und jetzt irgendwo
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