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Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman

Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman

Titel: Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Florin
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fetter Körper steckte in einem Anzug, der erstklassig saß und zweifellos maßgefertigt war. Vermutlich gab es für den sowieso nichts mehr von der Stange. Die Kombination aus asketisch geformtem Gesicht und aufgeschwemmtem Körper war grotesk. Der Mann machte beinahe den Eindruck, als habe er sich verkleidet und trüge unter dem Anzug Dutzende von Schaumstoffpölsterchen. Fast erwartete Lissie, dass Pavarotti sich der Maskerade im nächsten Moment mit einem sardonischen Grinsen entledigen würde. Wie grazil sich der Mensch trotz seiner Leibesfülle bewegt hatte! Er musste früher einmal schlank gewesen sein.
    Plötzlich packte Lissie die Neugier. Hinter seiner komischen Erscheinung steckte eine Geschichte, und die würde sie herausbekommen. Auch wenn er ihr das nicht abnahm – Lissie wusste, dass sie etwas auf dem Kasten hatte, wenn es um eine gute Fragetechnik und ein paar gemeine Überrumpelungsmanöver ging. Sie würde es diesem Provinzbullen schon zeigen.
    * * *
    Pavarotti stapelte frische Unterwäsche in die mit Krepppapier ausgeschlagene Kommodenschublade in seinem Hotelzimmer im Nikolausstift. Mehr als diese billige Pension gab das Budget der Quästur Bozen leider nicht her. Vor dem Einsortieren hatte er seine voluminösen Unterhosen fein säuberlich längs am Zwickel gefaltet und dann noch zweimal zusammengelegt, damit sie in die Schublade passten.
    Aus dem Möbel stieg ihm ein durchdringender Geruch nach Mottenkugeln und Politur in die Nase. Der Geruch erinnerte ihn an die Wohnung seiner Großmutter in Perugia, die er als Kind oft mit seiner Schwester in den Sommerferien besucht hatte.
    Seine Schwester hatte natürlich andauernd die Nase gerümpft, anstatt froh zu sein, von zu Hause wegzukommen. Großmutter war unter ihrer Würde gewesen, weil die aus Deutschland stammte und Italienisch immer noch mit starkem Akzent sprach. Für Pavarotti war Perugia das Paradies gewesen.
    Als er das Auspacken und Einsortieren erledigt hatte, zog er seinen Anzug aus, hängte ihn akkurat auf einen Bügel und setzte sich im Schneidersitz nackt aufs Bett. Er wusste, dass er mit der Deutschen nicht richtig umgegangen war, und fühlte sich ausgelaugt. Frauen waren ganz allgemein anstrengend, weil sie dazu neigten, mit ihren Gefühlen überall hausieren zu gehen. Eine von den Obergefühlsmeisterinnen hatte ihn nach einem Lehrgang der Polizeiakademie, den sie leitete, als Mensch mit mangelhafter Sozialkompetenz beurteilt. Er grinste breit, als er daran dachte. Fast wäre seine Beförderung zum Kommissar an ihr gescheitert, aber eben nur fast. Bei einigen Jungs ganz oben war die Dame ebenfalls nicht besonders beliebt gewesen. Leider galt das nicht für seinen unmittelbaren Vorgesetzten, der bis zum Schluss gegen seine Ernennung intrigiert hatte.
    So hintenherum wie diese Polizeipsychologin war die Deutsche nicht. Aber anstrengend war sie auch, und wie. Giftig und zickig ohne Ende. Trotzdem musste Pavarotti zugeben, dass er von der Frau beeindruckt war. Sie zog sich nicht beleidigt in ihr Schneckenhaus zurück und machte einen Schmollmund, wenn ihr etwas nicht passte, sondern schlug zurück.
    Er dachte an ihren Einfall, bei seinen Ermittlungen mitzumischen, und seine Laune hob sich. Wie beleidigt sie dreingeschaut hatte! Das war wirklich saukomisch gewesen. Pavarotti ließ sich aufs Bett zurücksinken und schloss die Augen. Diese Frau glaubte wirklich, ein paar Teenager-Erfahrungen würden reichen, um in die Meraner Schweigemauer ein Loch zu sprengen! Damals war sie noch ein Kind gewesen, und in dem Alter hatte man ganz andere Möglichkeiten. Kein Mensch hier käme auf die Idee, einer Fremden wie ihr etwas anzuvertrauen.
    Er setzte sich auf. Wieso hatte er dann überhaupt diese Bemerkung fallen lassen, dass man einer Touristin mehr erzählen würde als ihm? Er kratzte sich, seine Kopfhaut juckte ekelhaft. Es half nichts, er musste mitten am Tag unter die Dusche.
    Auf dem Weg ins Bad fiel ihm plötzlich ein, dass die Deutsche eigentlich recht klar und strukturiert Bericht erstattet hatte. Sie war zwar mächtig eingeschnappt gewesen, das hatte ihren Verstand aber offenbar nicht an der Arbeit gehindert. Auffallend war vor allem, dass sie bei den Fakten blieb, obwohl sie nicht viel zu berichten hatte. Die meisten Zeugen neigten in diesem Fall dazu, ihre Beobachtungen auszuschmücken, um sich wichtig zu machen. Lissie von Spiegel gehörte nicht zu diesen Nervtötern und war damit die absolute Ausnahme.
    Wenn die Hochleitnerin ihm

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