Commissario Pavarotti trifft keinen Ton - Kriminalroman
in letzter Zeit sowieso nicht mehr involviert. Ich habe mich nur noch um die Hotels gekümmert.«
Und schon wieder eiskalt gelogen, dachte Pavarotti. Die Geschichte passte hinten und vorne nicht zusammen. Was verschwieg der Alte?
Im Moment würde er hier nicht weiterkommen. Er verabschiedete sich mit dem Hinweis, er werde sich höchstwahrscheinlich noch einmal mit weiteren Fragen melden. Im Hinausgehen beschloss er, sich die Kleine mit den rehbraunen Augen möglichst bald noch einmal ohne ihren Schwiegervater vorzunehmen. Brunthaler hatte angedeutet, Karl Felderer sei ein Weiberheld gewesen. Betrogene Ehefrauen fand Pavarotti grundsätzlich verdächtig.
* * *
Lissie lümmelte sich, so gut es eben ging, auf die harte Eckbank des Gastraums im Nikolausstift und pichelte im Halbdunkel vor sich hin. Die Butzenscheiben ließen kaum Licht ins Zimmer. Und die mit dunklem Holz verkleidete Decke und die dicken schwarzen Balken, die sie abstützten, schluckten das bisschen Helligkeit, das von draußen hereinkam.
Sie hatte den ganzen Tag in verschiedenen Cafés herumgesessen, ihr Profil auf einer Headhunter-Website aktualisiert und verschiedene Stellenanzeigen heruntergeladen. Etwas Vielversprechendes war nicht dabei gewesen, bloß subalterne Positionen weit unterhalb ihrer eigenen Gehaltsklasse. Am frühen Nachmittag war sie dann frustriert vom Cappuccino zum Rotwein übergegangen.
Lissie spürte, wie der Wein auf ihren halb leeren Magen sie immer schläfriger machte und das Zwielicht und der trommelnde Regen die Wirkung noch verstärkten.
Ihren Blackberry hatte sie in unmittelbarer Reichweite neben sich auf die Bank gelegt. Zwar war sie mittlerweile schon zu benebelt, um sich noch auf irgendeine Datei konzentrieren zu können. Aber ihr Smartphone hatte sich immer als ziemlich praktisch erwiesen, wenn sie etwas brauchte, um mit einem Handgriff irgendeine Beschäftigung vorzutäuschen. Sie glaubte zwar nicht, dass sich ein anderer Gast in ihr Refugium verirren würde. Doch man konnte ja nie wissen.
Lissie nahm noch einen Schluck und merkte, wie der Raum leichte Schlagseite bekam. Sie blinzelte und riss ihre Augen auf, um die bleierne Müdigkeit auf ihren Lidern loszuwerden. Ihr war klar, dass sie in Kürze hinüber sein würde, wenn sie nichts unternahm.
Als sie sich gerade aufrappeln wollte, um einen Speckteller zu bestellen, wurde die Tür zur Stube mit viel Getöse aufgerissen und sofort wieder zugeknallt. Die beiden Neonröhren an der Decke flammten auf. Vor lauter Schreck fiel Lissie fast vom Sitz. Sie schaffte es nicht mehr, zu ihrem Blackberry zu greifen, und ihr wurde heiß. Von der plötzlichen Helligkeit geblendet, sah sie den Mann erst, als er direkt vor ihr stand. Ihre Empörung über seine Rücksichtslosigkeit siegte über das peinliche Gefühl, ertappt worden zu sein.
»Was fällt Ihnen eigentlich ein«, schimpfte sie und linste zu dem Störenfried hoch. Der Mann, der vor ihr stand, war unglaublich fett. Sein Bauch wölbte sich ihr über dem Tisch entgegen. Als ihr Blick nach oben wanderte, sah sie überrascht, dass der Dicke ein auffallend hageres Gesicht hatte, das überhaupt nicht zu seiner Figur passte.
Plötzlich öffnete der Mensch den Mund und feuerte, ohne sich vorzustellen oder zumindest zu grüßen, eine Frage auf Lissie ab: »Stimmt es, dass Sie Karl Felderer kennen?«
Lissie war aufgebracht. Was für ein unhöflicher Flegel! Patzig schoss sie zurück: »Wer sind Sie überhaupt?« Sein Deutsch hörte sich nicht nach Südtiroler Mundart an. Mehr nach italienischem Akzent.
»Mein Name ist Pavarotti, und ich bin Kriminalkommissar.«
»Ja, und ich bin die Anna Netrebko«, erwiderte Lissie. »Gibt es jetzt bei der Hochleitnerin auch schon Fun Acts, oder gehört die Vorstellung hier zu den Meraner Festwochen?«
Eine in Plastik eingeschweißte Karte wurde vor ihr auf den Tisch gepfeffert und verpasste knapp ihr volles Weinglas. Bevor sie danach greifen konnte, hatte der Fettsack den Ausweis schon wieder an sich genommen. »Und das war jetzt wohl Ihr Mitgliedsausweis fürs Fitnessstudio?«
»Kaum, oder seh ich vielleicht so aus?«, grinste der Mensch.
Wohl oder übel musste Lissie auch grinsen. »Pavarotti, das ist doch nicht Ihr wirklicher Name, oder? Sie machen sich über mich lustig, stimmt’s?«
»Nein. Und mit Vornamen heiße ich übrigens Luciano, ob Sie’s glauben oder nicht. Wenn Sie mich jetzt fragen, ob ich bei dem Namen wenigstens im Kirchenchor mitsinge, dann lautet die Antwort
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