Commonwealth-Saga 1 - Der Stern der Pandora
häufiger benutzt, um seine Größe und sein Aussehen zu verändern, als er sich erinnern konnte, wenigstens einmal pro Jahr, häufig sogar zwei- oder gar dreimal. Die Behandlung war zwar nicht gerade dazu geeignet, den Alterungsprozess zu verhindern, der Adams Organe und Gelenke allmählich erstarren ließ, doch sie entfernte Narbengewebe, wovon Adam im Lauf der Jahrzehnte mehr als genug angesammelt hatte. Außerdem ermöglichte sie ihm, auf eine große Auswahl unterschiedlicher Gesichtszüge zurückzugreifen. Er hatte immer geglaubt, dass der Versuch, seine fünfundsiebzig Jahre zu verbergen, sinnlose Eitelkeit sei. Eine ältere Person mit dem Gesicht eines Heranwachsenden war ein wirklich erbärmlicher Anblick. Der Rest ihres Körpers verriet sie trotzdem: Sie waren einfach zu langsam, zu unbeweglich.
Adam erreichte den Taxistand draußen vor der Abfahrtsebene und benutzte seinen E-Butler, um ein Taxi zu rufen. Es hatte keinen Alarm gegeben. Oder wenigstens keinen erkennbaren Alarm, sagte er sich; doch man konnte nie wissen, wenn man mit ihr zu tun hatte. Sie war smart, und sie war Adam im Verlauf der Jahre immer näher gekommen. Aber falls sie hier auf Velaines eine Falle für ihn vorbereitet hatte, würde sie heute nicht zuschnappen – nicht zu dem Zeitpunkt, den er vorgezogen hätte.
Für den Augenblick war er jedoch noch frei und konnte sich an die Durchführung seiner Mission begeben. Heute war er eine neue Person, bis zu diesem Tag unbekannt im Commonwealth. Laut seiner Bürgerakte war er Huw North, geboren auf Pelcan, ein First-Live Siebenundsechzigjähriger und Angestellter der Bournewell Engineering Company. Sein Äußeres war übergewichtig, beträchtlich übergewichtig sogar angesichts der Tatsache, wie ernst Bürger des Commonwealth heutzutage ihre Gesundheit nahmen. Er wog knapp einhundertfünf Kilogramm, begleitet von einem runden, erschlaffenden Gesicht, das viel schwitzte. Dünner werdendes graues Haar zierte seinen Kopf, das auf wenig modische Weise in die Stirn gekämmt war. Er trug einen weiten braunen Regenmantel mit breitem Revers, der vorne offen stand und den Blick freigab auf einen zerknitterten grauen Anzug. Ein dicker Mann mit einem kleinen, bedeutungslosen Leben, jemand, den niemand beachtete. Zelluläres Reprofiling war eine kosmetische Behandlung für die Armen und die Eitlen und keine Methode, um die Haut teigig zu machen und den Anwender fetter. Als Irreführung hatte es noch nie versagt.
Was bedeutet, dass es wahrscheinlich an der Zeit ist, etwas zu ändern , dachte Adam, während er seinen übergewichtigen Leib in ein Taxi wuchtete und sich zum Westpool Hotel fahren ließ. Er checkte ein und bezahlte für zwei Wochen im Voraus. Er hatte ein Doppelzimmer im achten Stock, mit Fenstern, die sich nicht öffnen ließen, und einer Klimaanlage, die für seinen Geschmack zu kalt war. Er hasste das – er hatte einen leichten Schlaf, und der Lärm der Klimatisierung hielt ihn immer stundenlang wach. Jedes Mal.
Adam packte die Kleidung aus, die er im Koffer mitgebracht hatte; dann holte er die kleine Schultertasche hervor, die seine Notfallausrüstung enthielt. Zwei Garnituren Kleidung, eine davon mehrere Nummern zu klein, ein Erste-Hilfe-Kit, Bargeld, ein CST Rückfahrschein von EdenBurg nach Velaines mit bereits benutzter Hinfahrt, ein paar extrem hochentwickelter tragbarer Arrays mit ungewöhnlich stark gesicherter Kaos-Software sowie eine legale Ionen-Stun-Pistole mit einer getarnten Verstärkung, die die Waffe auf kurze Reichweite tödlich machte.
Eine Stunde später verließ Adam das Hotel und ging fünf Blocks weit zu Fuß durch die Nachmittagssonne, während er sich einen Eindruck von der Hauptstadt des Planeten verschaffte. Der Verkehr auf den Hauptstraßen fuhr dicht an dicht; Taxis und Lieferwagen beherrschten das Bild. Keines der Fahrzeuge benutzte Verbrennungsmotoren; alle wurden von Supraleiterbatterien und Elektromotoren angetrieben. Dieses Viertel der Stadt war noch respektabel; dafür lag es nahe genug an den zentralen Finanz- und Wirtschaftsdistrikten. Rings um Adam herum befanden sich Läden und Büros, und in den Seitenstraßen gab es Reihenhäuser mit Appartementwohnungen, keines mehr als drei, vier Stockwerke hoch. Öffentliche Gebäude mit Fassaden im spätimperialistischen russischen Stil rahmten hübsche kleine Plätze ein. In der Ferne, die vollkommen geraden Straßen hinunter, standen die Türme, die das Herz der Stadt markierten. Alle paar Blocks unterquerte
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