Commonwealth-Saga 3 - Der entfesselte Judas
den Kazimir ihr geschickt hatte, war ein azurblau leuchtender Punkt am Rand ihrer virtuellen Sicht. Eine ständige Versuchung. Sie streckte ihre virtuelle Hand danach aus und berührte das Symbol. Schuld daran waren ihre Hormone, sagte sie sich.
Wie es dem Anführer der Afrikanischen Gruppierung zustand, war das Büro von Ramon DB noch größer als das von Thompson. Die Wände waren mit antiken Schilden und Fellen behängt, und holographische Bilder zeigten ausgedehnte Landschaften einer jeden afrikanischen Welt. Genau in der Mitte zeigte das größte Bild ein Panorama des Kilimandscharo, aufgenommen vor einem Jahrhundert, nachdem die großen Gletscher auf dem Gipfel sich wieder ausgedehnt und dem gigantischen Berg seine frühere Pracht zurückgegeben hatten. Daneben hing ein kleineres Bild, das Ramon DB auf dem Gipfel des Vulkans zeigte, gekleidet in dicke Thermogarderobe. Er stand am Rand des Gletschers und lächelte stolz in die Kamera.
Justine neigte den Kopf zur Seite, während sie das Bild betrachtete. »Weißt du, ich hätte schwören können, dass ich neben dir stand, als diese Aufnahme gemacht worden ist. Wie eigenartig, du bist noch einmal und ohne mich zum Gipfel hinauf gestiegen? Und das in den gleichen Sachen?«
»Ich, äh … Das ist ein politisches Büro, Justine«, sagte er dümmlich. »Alles hier drin hat einen Symbolwert für meine Wählerschaft, die Menschen, die ich repräsentiere und die meine Hilfe brauchen.«
»Und was könnte symbolischer sein als du, der eine weiße Frau heiratet? Eine Union zwischen zwei Kulturen und Rassen. Eine Brücke über einen jahrhundertealten Graben hinweg? Eine liebevolle Partnerschaft, die zeigt, dass wir über allen Konflikten der Vergangenheit stehen? Dass wir ein Commonwealth der Gleichheit und Fairness erschaffen? Ein Commonwealth, wo die Hautfarbe einfach keine Rolle …?«
»Schon gut, schon gut! Ich habe begriffen. Gütiger Gott, Frau!«
»Also wirst du es austauschen? Du wirst aufhören, mich zu einer Unperson zu machen?«
Irgendwie gelang es ihr, sich nichts anmerken zu lassen. Es war schwierig. Ramon blickte so schuldbewusst drein, und das brachte jenen verletzlichen Aspekt an ihm zum Vorschein, den sie so geliebt hatte. Rammy zu necken hatte ihr schon immer Spaß gemacht.
»Ich werde darüber nachdenken, versprochen«, sagte er mit gespielter Würde.
»Danke sehr, Senator. Du kannst auf meine Stimme zählen.«
»Gibt es einen Grund, warum du hergekommen bist, außer um mich zu verspotten?«
Alle Fröhlichkeit wich aus ihrem Gesicht. »Ja. Ich brauche deinen Rat, und zwar in einer sehr ernsten Angelegenheit.«
»Und damit kommst du zu mir? Ich fühle mich geschmeichelt, Justine. Handelt es sich um eine ernste politische Angelegenheit oder um etwas Persönliches? Ich weiß, dass es nichts Finanzielles sein kann; ich erinnere mich noch zu gut an Gores Meinung bezüglich meiner Ideologie. Wie hat er mich noch genannt?«
»Einen weinerlichen rosaroten Illiberalen ohne den geringsten Schimmer, wie die richtige Welt da draußen funktioniert, und das ist so ungefähr das Einzige, was ich in einem so symbolbehafteten Büro wie diesem von mir geben kann.«
Ramon DB lachte laut auf und küsste sie auf die Wange. Justine bemerkte bestürzt, wie kalt sich seine Haut anfühlte, und die dünne Schicht Schweiß auf seiner Stirn.
»Nun, du musst dir jedenfalls keine Gedanken machen. Ich suche definitiv politischen Rat«, sagte sie, nachdem sie auf einer langen Teakbank mit eingeschnitzten Antilopen Platz genommen hatten. Sie spürte, wie sie erneut Sodbrennen bekam, und biss die Zähne zusammen. Gegen den Schauder, der ihr über den Rücken lief, konnte sie allerdings nichts tun.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte Ramon DB, das Gesicht in aufrichtig besorgte Falten gelegt.
»Mein Zustand ist besser als deiner«, entgegnete sie und lächelte schwach. »Viel besser.« Ihre Hand ging zum Mund, als ihr Magen erneut rebellierte.
Ramon DB musterte sie eingehend. Er beugte sich ein klein wenig vor, als könnte er nicht so recht glauben, was er sah. »Gütiger Gott, Justine! Du bist schwanger!«
»Ja.«
»Ich … Das ist … meinen Glückwunsch.«
»Danke, Rammy.« Sie fürchtete, jeden Augenblick in Tränen ausbrechen zu müssen. Verdammte Hormone!
»Du bist also wirklich schwanger. Es muss ein außergewöhnlicher Mann sein. Das hast du nicht einmal für mich getan. Unser Kind wurde in einem Brutkasten gezogen.«
Sie konnte nichts dagegen tun. Die Tränen
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