Commonwealth-Saga 3 - Der entfesselte Judas
erklärte Edmund Li. »Es war nicht gerade hilfreich, dass diese Operation zu dem Zeitpunkt eben erst angelaufen war. Ich beschwere mich nicht mal darüber, dass kein Geld da wäre – es ist der Mangel an Personal, der uns zu schaffen macht.«
»Richtig«, sagte Tarlo entschieden. »Renne, es ist unnötig, dass wir beide hier bleiben; du fährst besser zurück nach Paris. Ich kümmere mich um die Daten für diese Sendung. Sobald wir den Absender und alles andere haben, können wir von Paris aus mit der Rückverfolgung beginnen.«
Renne warf einen letzten Blick in die weite Halle des Lagerhauses. »Du hast Recht. Besser, wenn du dich auch gleich um die restlichen Sendungen kümmerst. Die Forensik soll sich das hier ansehen. Vielleicht können sie uns erzählen, wofür man diese Sachen braucht.«
Tarlo streckte die Hand aus. »Zehn Dollar, dass sie es nicht können.«
»Ich wette nicht dagegen.«
Offiziell hieß es Westminster Palace Museum of Democracy, doch alle nannten es nur Big Ben nach dem berühmten Uhrenturm, der die Ostseite bewachte. Adam Elvin benutzte sein Kredit-Tattoo, um die fünf Dollar Eintrittsgebühren zu entrichten; dann durchquerte er die kunstvolle Eingangshalle von St. Stephen’s Entrance gegenüber der Abtei. Das alte britische Parlamentsgebäude mit seinen Hallen und Korridoren, dem nackten Stein und den hohen Fenstern erweckte in Adam stets das Gefühl einer widerrechtlich verwendeten Kathedrale. Die Lobby zwischen den beiden Hauptkammern war unpassend mit Holzmobiliar ausgestattet, das sich zwischen großen weißen Statuen drängte. Goldfarbenes Licht strömte durch die hohen bunten Fenster ins Innere und betonte die Steinmetzarbeiten an den Wänden. Gruppen von aufgeregt schnatternden Schulkindern rannten umher und starrten in Interfacebrillen, während das Führungsprogramm die historische Bedeutung von allem und jedem erklärte, das sie betrachteten. Die Türen ins Unterhaus standen offen. Auf den grünen Bänken der Kammer entstanden sukzessive Hologramme von Politikern aus der prä-elektronischen Zeit bis hin zum letzten englischen Parlament des Jahres 2065. Im Oberhaus war der gesamte Aufstieg und Fall der britischen Monarchie von William dem Eroberer während der Schlacht von Hastings bis zu King Timothy beim Unterzeichnen der Abdankungsurkunde in spektralem Pomp dargestellt.
Adam ignorierte die viktorianische Pracht und die gefärbten Geschichtslektionen und ging zum Café am Ufer der Themse weiter. Es zog sich über zweihundert Meter an der Seite des Gebäudes entlang, ein beliebter Ausflugsort für Touristen und Einheimische ohne Unterschied. Eine warme Frühlingsbrise vom Fluss her ließ die großen Sonnenschirme mit ihren kunstvollen Emblemen rauschen. Kellnerinnen bahnten sich ihren Weg durch das Gewirr, nahmen Bestellungen auf und lieferten Essen und Getränke ab. Für Adams Geschmack standen die Tische zu eng beieinander, und das nur, um ein paar zusätzliche Kredits zu verdienen.
Adam blieb nichts anderes übrig, als den Bauch einzuziehen und sich umständlich zwischen den Sitzreihen hindurchzuschieben, während ihm ärgerliche Blicke folgten, bis er bei einem Tisch angelangt war, der unmittelbar an der Brüstung der Terrasse stand.
Bradley Johansson lächelte ihm entgegen. »Adam. Schön, dass Sie gekommen sind, alter Freund.«
»Ja, sicher«, brummte Adam und nahm neben ihm Platz.
Eine junge Kellnerin in einem Tudor-Knabenkostüm mit smaragdgrünen Strumpfhosen, die ihre langen Beine zeigten, kam herbei und lächelte hoffnungsvoll.
»Einen Tee für meinen Freund«, sagte Bradley. »Mit Gebäck und Sahne, und außerdem ein Glas von diesem köstlichen Gifford’s Champagner, denke ich.«
Ihr Lächeln hellte sich auf. »Jawohl, der Herr.«
»Herrgott noch mal!«, murmelte Adam, nachdem sie gegangen war. Jeder schien Johansson und ihn anzustarren.
»Jetzt werden Sie nicht schizophren, Adam«, schalt Bradley. »Von wegen, wenn du in Rom bist und das alles. Außerdem ist es richtige Schlagsahne nach Cornwall-Art.«
»Aufgeschäumte hätte es auch getan, verdammt.«
»Kommen Sie, Adam, der alte Laden für die Privilegierten wurde in ein hübsches Lokal für die Allgemeinheit verwandelt. Es gibt sicher die eine oder andere Metapher dazu. Ich dachte, Sie würden es genießen.«
Adam würde es sich niemals eingestehen, doch er empfand jedes Mal so etwas wie Bewunderung für die Art und Weise, wie Bradley die Treffen an den unwahrscheinlichsten öffentlichen
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