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Commonwealth-Saga 3 - Der entfesselte Judas

Commonwealth-Saga 3 - Der entfesselte Judas

Titel: Commonwealth-Saga 3 - Der entfesselte Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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ausgeschlachteten Vettern entstammten; die Gashüllen waren brüchig, mit Flicken übersät und verdienten ihre Flugtauglichkeitszertifikate nicht mehr, welche das Governor’s House Jahr für Jahr rituell erneuerte.
    Blimpbots und Umweltverschmutzung waren jedoch nur ein Grund für Mellanies Gefühl der Entrücktheit. Sie erkannte, was sie wirklich beunruhigte: das Fehlen von Zügen. Es gab keine Böschungen und keine Einschnitte in der umgebenden Architektur, keine erhobenen Schienendämme über dem Verkehrsgewühl am Boden. Züge waren mehr als alles andere ein Sinnbild für die Gesellschaft des Commonwealth.
    »Was für eine eigenartige Welt«, bemerkte Mellanie. »Ich kann nicht verstehen, warum so viele Leute hierher ausgewandert sind. Alles ist so rückständig – als hätten die Viktorianer die Raumfahrt erfunden und ihre Kultur hierher exportiert. Vielleicht stammt die Marie Celeste aus dieser Zeit.«
    »Du bist zu jung, um das zu begreifen«, sagte Dudley.
    Mellanie wandte sich um. Die Selbstsicherheit in seiner Stimme hatte sie überrascht.
    Dudley stand neben ihr und lächelte bewundernd in Richtung der klapprigen Stadt, die sich ringsum erstreckte. »Lass dich fünf Mal rejuvenieren, und geh Jahrhundert um Jahrhundert einem Job nach, der dich von neun bis fünf an den Schreibtisch fesselt, nur damit du in einen R&R Fonds für die nächste Rejuvenation einzahlen kannst – welche es dir ermöglicht, alles wieder von vorn anzufangen. Vielleicht in einem anderen Job, mit einer anderen Frau und anderen Kindern, doch im Grunde genommen steckst du in der gleichen Mühle wie in allen Leben vorher, ohne Aussicht auf Veränderung. Wenn du das alles durchgemacht hast, Mellanie, dann würdest selbst du überlegen, hierher zu kommen und dein letztes Leben ohne soziales Sicherungsnetz bis zu Ende zu leben.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du so denkst, Dudley.«
    »Tue ich auch nicht – oder zumindest habe ich das nicht getan. Nicht während meines letzten Lebens. Aber ich erinnere mich daran, dass ich Unterlagen über die Auswanderung hierher gelesen habe. Ein paar Rejuvenationen mehr, weitere fünfzig Jahre des Kampfes mit dem Dekan um Mittel für meine Forschung, eine weitere Ehe mit einem Miststück wie Wendy, und ja, ich könnte mir durchaus vorstellen, es zu tun. Es hat etwas sehr Verlockendes, in die Wildnis hinauszugehen und zu sehen, was es dort gibt. Die Aussicht, dem modernen Leben den Rücken zuzuwenden und endlich einmal etwas mit den eigenen zwei Händen für sich aufzubauen. Zurückzufallen ins Stadium der Jäger und Sammler. Das liegt gar nicht so weit hinter uns, wie wir alle glauben, weißt du?«
    »Und jetzt?«
    »Jetzt? Keiner von uns hat heute noch diesen Luxus.« Er verzog das Gesicht. »Dafür habe ich gesorgt.«
    »Nein. Du hast nur eine sehr kleine Rolle in den Ereignissen gespielt. Tut mir Leid, wenn ich deinem Ego einen Schlag versetzen muss, Liebling, aber du bist nicht so verantwortlich, wie du vielleicht glaubst.«
    Er grunzte wenig überzeugt.
    Mellanie war nicht sicher, wie sie reagieren sollte. Die Zeiten, zu denen der alte Dudley Bose zum Vorschein kam, ließen sie neben ihm klein und dumm aussehen. Das war irgendwie eigenartig, angesichts der Tatsache, dass sie ihm dabei helfen sollte, genau dahin zurückzukehren.
    Das Symbol der SI blinkte in ihrer virtuellen Sicht, und sie verdrängte den Gedanken an Dudley und seine neue Zukunft. »Ja?«, fragte sie.
    »Wir sind nur noch drei Stunden vom Ende des Wurmloch-Zyklus entfernt, Mellanie. Das wäre ein guter Zeitpunkt, um unsere Subroutine im Netz der Stadt zu etablieren. Wir können die operationale Authentizität verifizieren.«
    »In Ordnung.« Sie kehrte in die Lounge zurück. Neben der Schlafzimmertür stand ein Schreibtisch aus Kiefernholz mit einem kleinen, alten Desktop-Array darauf. Mellanie legte beide Hände auf den I-Spot der ersten Generation des Arrays, und auf ihren Fingern erschien ein Geflecht aus dünnen silbernen Linien. In ihrer virtuellen Sicht erschien ein neuer Satz von Symbolen, und Suchprogramme begannen, das lokale Netz aus ihren Inserts heraus zu analysieren. »Sieht nicht so aus, als gäbe es anständige Überwachungsprogramme«, sagte sie.
    »Wir sind der gleichen Auffassung, Mellanie. Bitte lade unsere Subroutine ins Netz.«
    Ihre virtuellen goldenen Schlangenhauthände tippten die Kodesequenz, und die Subroutine entkomprimierte sich aus ihren Inserts und übertrug sich durch den Kontakt ihrer Hände mit

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