Con molto sentimento (German Edition)
gewesen, wenn sie Stiefbrüder gewesen wären.
»Meine Mutter hat Urs nicht geheiratet und momentan leben sie auch getrennt. Nachdem das hier passiert ist.« Patrice zeigte auf seine Nase, mittlerweile erkannte man es nicht mehr. Aber er hatte de Galle schon von diesem Willkommensgeschenk seines Bruders berichtet. Alexis hatte dabei doch reichlich schockiert ausgesehen. So etwas gab es wohl in seiner Familie nicht. Nun ja, das sollte es in keiner Familie geben.
»Hat Urs Mohrer Ihre Mutter geschlagen? Oder sind Sie sonst Zeuge von häuslicher Gewalt geworden?«
»Was?« Die Frage war absurd, oder nicht? Das hätte Patrice doch bemerken müssen, redete er sich zumindest ein. Aber dann zwang er sich leidenschaftslos darüber nachzudenken.
»Nein«, antwortete er. Nein, bestimmt war sie nicht geschlagen worden. Urs gehörte zu dem Typ Mann der ruhig und schläfrig wurde, wenn er zu viel getrunken hatte und außerdem hätte Patrice dann mit Sicherheit einmal verdächtige blaue Flecken an seiner Mutter bemerkt.
So ging es noch eine Viertelstunde weiter, bis sich de Galle zu einer ersten Einschätzung hinreißen ließ. Er legte seinen Füllfederhalter auf den Tisch. Ein richtig edler Füllfederhalter! Nicht irgendein billiger Kugelschreiber, den man als Werbegeschenk von einem Supermarkt oder sonst woher bekommen hatte.
»Nun, ich schlage vor, wir gehen zur Polizei und Ihr stellt Euch als Zeugen zur Verfügung. Niemand wird beweisen können, ob Ihr selbst zugeschlagen habt oder nicht.«
»Hugo und Noah?«, warf Patrice dazwischen.
De Galle winkte ab. »Unwichtig. Selbst wenn die beiden dies aussagen würden, dann kann man diese Aussage mehr als einfach anfechten. Aussagen von Opfern unter solchen Umständen sind oft verfälscht. Das gleiche gilt für Claude Debière .«
»Aber ich habe Claude geschlagen.«
»Das mag sein, aber wenn er sie nicht anzeigt, ist es unerheblich. Sie müssen als Zeuge auftreten, nicht als Täter und das müssen wir auch so verkaufen vor dem Staatsanwalt. Und falls es doch zu einer Anzeige käme, dann müssten wir mit der Staatsanwaltschaft einen Deal aushandeln. Die Namen der Hooligantruppe gegen Ihre Anzeige.«
»Wie, aber...«, stotterte Patrice und Alexis lachte nur von seinem Platz neben ihm.
»Anwälte sind die schlimmsten Verbrecher, nicht wahr?«, meinte er, ohne von seinem Smartphone aufzusehen, und de Galle wurde sogar rot bei diesen Worten.
»Sie haben ja ganz offensichtlich bereits unter Repressalien in Ihrer Familie aufgrund Ihrer sexuellen Orientierung leiden müssen, von daher kann mit Sicherheit auf eine Aussage von Ihnen vor Gericht verzichtet werden.«
»Okay.« Das hörte sich schon einmal gut an, oder?
»Lex, ich kapier das alles nicht.« Patrice ließ sich gegen die Sitzbank zurücksinken. Das rote Leder sah zwar enorm einladend aus, hätte aber nach Patrices Geschmack ruhig etwas weicher sein können. Alexis stellt ihr Tablett mit den Burgern, Getränken und Pommes auf dem Tisch ab und nahm gegenüber Platz. Er hatte das Jackett ausgezogen und krempelte die Manschetten seines Hemdes zurück. Insgeheim fragte sich Patrice wie viele Flecken das blütenweiße, sündhaft teure Hemd am Ende dieser Fastfoodorgie aufweisen würde.
Schnell sortierte Alexis die Burger auseinander und trank einen Schluck von seiner eisgekühlten Cola.
»Was verstehst du denn bei der Sache nicht?«, fragte er geduldig nachdem der erste Durst gestillt war und schob Patrice den in Papier eingewickelten Burger zu.
Patrice vermutete ja, dass Alexis nur ihm zuliebe das Fast-Food-Restaurant nach ihrem Besuch bei den Anwälten angesteuert hatte. Obwohl, so wie Alexis seinen Burger musterte, schien es ihm auch recht zu sein einmal wieder sich dieser Art des Genusses hinzugeben. Patrice kaute zunächst auf seinen Pommes herum und versuchte die Gedanken in Worte zu fassen, die ihm im Kopf herumschwirrten.
»Gott, ist das geil«, entfuhr es unwillkürlich Alexis, als er den ersten Bissen heruntergeschluckt hatte. »Das ist mein erstes Mal dieses Jahr«, verteidigte er sich dann gegenüber Patrice, der überrumpelt war diese derbe Wortwahl von Alexis zu vernehmen und dann noch in Bezug auf einen Burger.
Aber Fastfood-Vorlieben einmal beiseite gelassen. »Ich verstehe es nicht, wie ich unschuldig sein soll und es aber gar nicht bin.« Selbstredend sprach er möglichst leise. Es musste ja niemand
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