Con molto sentimento (German Edition)
die Orgel die sicherste Variante.
Er und Patrice kamen zwar gut miteinander aus, der Kleine stand morgens als Erster auf, richtete das Frühstück und war oft schon in Richtung Schule verschwunden bevor Alexis sich erst einmal aus den Federn kämpfte. Und doch gestaltete sich ihr Zusammenleben mitunter als schwierig. Es war ihnen beide peinlich bewusst, dass sie hier mit dem falschen Menschen in der Wohnung zusammenlebten. Alexis vermisste Federico und Patrice wäre am liebsten wieder bei Claude. Alexis hatte es sich nach ihrem Besuch bei den Anwälten verboten Patrice darauf anzusprechen. Es war schon an ihm mit der Sprache herauszurücken. Wenn sich der Kleine erst einmal klar darüber war, was er tun wollte, dann würde Alexis ihn dabei unterstützen. Egal, ob es um den Anwalt ging, Geld oder um einen freundschaftlichen Ratschlag.
»Hallo!«
Alexis zuckte regelrecht zusammen. Er hatte aufgehört zu spielen und über einer kniffligen Stelle gebrütet, versucht den besten Fingersatz herauszufinden. Dabei hatte er sich einmal mehr in seinen Gedanken über Federico und sich verloren und nicht bemerkt, dass er Gesellschaft bekommen hatte.
Es war ein kleiner Junge, vielleicht im Alter von Alexis‘ Neffen William, mit Sommersprossen auf der Nase und rötlich blonden Haaren. Alexis würde darauf wetten, dass er Engländer war. Wahrscheinlich eines der Kinder, die hier am Internat unterrichtet wurden.
»Solltest du nicht längst im Bett sein?«, fragte Alexis nach der Begrüßung. Immerhin war es bereits spät.
Der Junge verzog den Mund und sah so aus, als ob er gleich in Tränen ausbrechen würde. War sein Tonfall etwa so streng gewesen? Das hatte er nun gar nicht beabsichtigt gehabt!
»Möchtest du auch einmal spielen?« Das waren wohl die magischen Worte gewesen, denn das Gesicht des Kleinen hellte sich sofort auf und er kletterte auf die Orgelbank, wo er den Kopf in den Nacken legte und die mächtigen Orgelpfeifen musterte. Alexis rückte zur Seite und beobachtete amüsiert, wie der Junge vorsichtig die Tasten drückte, dann mit sichtlicher Freude ein kleines Stück anstimmte, nachdem er Alexis halb fragend, halb flehend angeblickt und dieser seine Zustimmung gegeben hatte.
»Ich würde gerne Orgel spielen lernen«, bekannte Jonathan, so hieß der Kleine, wie Alexis in der Zwischenzeit herausgefunden hatte. Er war in der Tat Schüler in der Klavierklasse. Alexis erklärte ihm geduldig, dass es leider notwendig war sich zuerst dem Klavier zu widmen, wenn man später ernsthaft Studien an der Orgel betreiben wollte.
»Das sagen meine Lehrer auch.«
»Und sie haben damit recht«, versicherte Alexis.
»Haben Sie auch zuerst Klavier gespielt?«
»Natürlich.«
Wieder wurde der Mund verzogen und Jonathan tippte die Tasten an. »Aber ich kann doch schon an der Orgel spielen. Mein Vater hat es mir gezeigt. Er spielt auch Orgel.«
Alexis bemühte sich nicht allzu sehr zu schmunzeln und den Jungen darauf hinzuweisen, dass er doch kaum mit seinen Fußspitzen das Pedal zu erreichen vermochte. Alexis kurbelte die Sitzbank etwas weiter hinab, so dass der Abstand zwischen den Füßen und dem Pedal geringer wurde. Und selbst jetzt noch konnte Jonathan nicht die besonders hohen oder tiefen Töne, die an den Außenseiten des Pedals angebracht waren, erreichen. Doch für die mittlere Lage reichte es allemal und Jonathan demonstrierte stolz den Beginn des Pedal-Exercitium von Johann Sebastian Bach. Alexis grinste als der Kleine vor der Orgel hin- und herrutschte, um die weiter auseinanderliegenden Noten spielen zu können. Dann hielt Jonathan plötzlich inne und runzelte die Stirn. Alexis half ihm mit den nächsten Takten weiter.
»Und den Absatz des linken Fußes auf das a, dann kommst du leichter an das fis.«
Jonathan spielte die entsprechende Stelle und probierte die Anregung gleich aus. Währenddessen riss Alexis aus seinem Notenheft eine Seite heraus und schrieb ein kleines Präludium darauf. Nichts Großartiges, im Grunde nur eine Abfolge von gebrochenen Akkorden mit den entsprechenden Tönen im Pedal. Wobei er gleich den passenden Fußsatz mitnotierte.
»Hier, probier das mal aus.«
»Haben Sie das gerade geschrieben?«, staunte Jonathan ehrfürchtig und Alexis tat es mit einem Schulterzucken ab. Der Junge begann zu spielen, doch stockte gleich, als er die Noten im Bass musterte.
»Was bedeutet das?«, er tippte auf die Kringel und
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