Con molto sentimento (German Edition)
zu sprechen – aber, dass er Alexis den Ehering zurückgab... Diese Szene war so surreal gewesen, Patrice hatte gedacht, dass er träumte. Alexis war es sicher nicht viel anders ergangen. Der Arme. Er hatte danach äußerlich völlig kontrolliert und ruhig gewirkt. Daher war es umso mehr ein Schock gewesen, als sie dann an jenem Abend aus dem Auto gestiegen waren und plötzlich auf Alexis‘ Hemd ein kreisrunder Blutfleck zu sehen gewesen war. Alexis hatte sich zwar noch schnell ein Taschentuch an die Nase gehalten, doch es hatte bestimmt eine Viertelstunde und mehrere Eispacken benötigt bis das Nasenbluten gestillt gewesen war. Es wäre ein unrühmliches Familienerbe, hatte Alexis mit näselnder Stimme erklärt. Unter Stress bekam er wohl leicht Nasenbluten. Nein, natürlich war es an Alexis nicht spurlos vorbeigegangen.
Jedes Mal, wenn Patrice die beiden Ringe an Alexis‘ Hand sah, wurde er an die bittere Tatsache erinnert, dass er die beiden Männer auseinander gebracht hatte. Er fühlte sich deshalb wirklich schuldig. Er hatte ihre Beziehung auf dem Gewissen! Auch wenn Alexis versucht hatte ihm das auszureden: Er und Federico wären selbst verantwortlich für den Sinn und Unsinn, den sie anstellten. »Federico ist manchmal sehr impulsiv, das liebe ich auch so an ihm. Wir raufen uns schon wieder zusammen.«
Doch Alexis‘ Tonfall hatte ihn Lügen gestraft, noch dazu die Tatsache, dass Alexis kaum mehr als fünf Stunden Schlaf in der Nacht fand und er fast täglich eine Packung Papiertaschentücher vollblutete.
Am schlimmsten war es jedoch gewesen, als Federico zu ihnen in das Appartement gekommen war. Federico hatte sich genau jene Stunde ausgesucht, während der Alexis Verpflichtungen am Konservatorium gehabt hatte. Der Pianist hatte etliche persönlichen Gegenstände und Klamotten mitgenommen. Das war schon heftig gewesen und mit Sicherheit keine Kurzschlusshandlung, so etwas plante man im Voraus. Wäre Patrice an diesem Abend nicht dagewesen, dann hätte sich Alexis wohl hoffnungslos volllaufen lassen. So hatte er es bei einem großzügigen Schluck Whisky belassen und Patrice nebenbei die Unterschiede zwischen Blends und Single Malts erläutert. Als ob Patrice das interessierte, aber er hatte Alexis reden lassen.
Und an all dem war er schuld. Punkt! Aber er wusste jetzt auch, wie er es wieder geradebiegen konnte. Nun ja, er hatte jetzt nicht wirklich einen handfesten Plan im Kopf, aber zumindest eine Idee. Eine Möglichkeit gab es.
Patrice setzte sich auf und schlüpfte in seine Jacke. Alexis, der mittlerweile zu einigen komplizierten Pedalübungen übergegangen war, schaute fragend zu ihm herüber. Er unterbrach nicht einmal seine Übung, sondern spielte blind weiter. Patrice erinnerte ja das Pedal spielen an der Orgel manchmal eher an Stepptanz, so flink, wie Alexis darüber huschte, mit Spitze und Absatz abwechselnd die einzelnen Tritte bearbeitete. Patrice riss sich von diesem äußerst faszinierenden Anblick los.
»Ich gehe«, meinte er.
»Wohin?«
»Zur Polizei.«
Urplötzlich herrschte Stille und Alexis blickte ihn verdutzt an. »Oh?«
»Ja, ich werde mich selbst anzeigen.«
Alexis setzte sich zurück, verschränkte die Arme und schien kurz nachzudenken. Anschließend schwang er die Beine über die Orgelbank und begann seine Schuhe zu wechseln. »Nein, wirst du nicht.«
Da hatte sich Patrice wohl gründlich verhört. Warum denn nicht? Jetzt wollte er die Situation bereinigen, er wollte die Konsequenzen für seine Dummheit tragen und Alexis sagte ihm, dass er das nicht tun solle?
»Das wirst du nicht tun«, wiederholte Alexis während er in seine Lederschuhe schlüpfte und nach seiner Jacke griff, um sein Smartphone herauszuholen. »Was du brauchst ist ein Anwalt, keine überstürzte Anzeige bei der Polizei.«
Patrice war sich nicht bewusst, dass er einen Rechtsbeistand benötigte. Aber was wusste er schon? Doch wie sollte er denn einen Anwalt bezahlen? Also etwa mit sexuellen Gefälligkeiten. Es gab ja die absonderlichsten Dinge. Im Fernsehen zumindest.
Das war wohl definitiv Claudes Einfluss, wenn ihm schon solche absurden Gedanken durch den Kopf schossen.
»Ich muss telefonieren, dauert nicht lange. Du wartest hier«, schärfte ihm Alexis ein und ging nach draußen. Patrice hörte ihn die Holztreppe hinabgehen und kurz darauf das Quietschen der Tür.
Nein, Patrice wusste nicht, wie ihm geschah. Wirklich und
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