Con molto sentimento (German Edition)
gehabt. Ihn hatten nun wirklich andere, existentiellere Sorgen umgetrieben. Es war bei ein paar flüchtigen, hektischen und beschämenden Nummern in dunklen Gassen geblieben.
Irgendwann hatte ihn Victor aufgegabelt. Sie waren sich das erste Mal in einem Supermarkt über den Weg gelaufen und später hatten sie sich im Fitnessstudio wiedergesehen. Wie das Leben eben so spielte.
Patrice hatte sofort alle Karten auf den Tisch gelegt. Für ihn war seine erste große Liebe noch nicht gestorben und würde sich ihm eine Möglichkeit bieten Claude wieder für sich zu gewinnen, würde er sie wahrnehmen. Damals hatte er dies noch im Brustton der Überzeugung gesagt, mittlerweile war sich da Patrice nicht mehr so sicher. Für Victor schien die Sache jedoch klar zu sein und er drückte Patrice inständig die Daumen, dass er und Claude sich aussprechen konnten.
Drei Tage später stieg Patrice aus seinem Wagen und schlenderte die letzten Meter zum Kulturzentrum hinüber. Er war früh genug da, aber es wäre schon ein großer Zufall, wenn ihm Claude noch vor dem Konzert über den Weg laufen würde. Ja, er hatte die ganzen Tage mit sich gehadert, ob er es wirklich tun sollte. Aber schlussendlich... Nun, er war hier! In der Vergangenheit hatte er sich oft dafür verurteilt, dass er sich wie ein Feigling verhalten hätte, so etwas würde er sich nicht mehr vorwerfen wollen.
Er hielt sich im Foyer des Konzertgebäudes auf und studierte die einzelnen Plakate und Ankündigungen bis man sie in den Saal einließ.
Da hing sogar das Plakat für Federicos neue Tournee. Ein Wunder, dass es noch an der Wand angebracht und nicht von einem enthusiastischen Fan entwendet worden war.
Das Management von Alexis und Federico legte immer einen großen Wert auf die Gestaltung der Plakate und die Designer hatten sich einen Spaß daraus gemacht die Werbeplakate der beiden Musiker so zu gestalten, dass sie nebeneinander gelegt ein großes Poster bildeten.
Das hatte ihm Alexis selbst erzählt und im Internet hatte Patrice gelesen, dass diese Plakate inzwischen heißbegehrte Sammlerobjekte waren. An so mancher Zimmerdecke oder Zimmerwand von jungen Mädchen oder schwulen Jungs hingen Alexis‘ oder Federicos Konterfei.
Sie waren aber auch schön gemacht. Das aktuelle Motiv war in schwarz-weiß gehalten, Federico stand vor seinem Flügel, im Dreiviertelprofil, die rechte Hand auf den Korpus gelegt und in der linken hielt er seine legendären blauen Glacehandschuhe. Der einzige Farbklecks auf dem Foto. Alexis‘ aktuelles Konzertplakat zeigte ihn mit übereinandergeschlagenen Beinen, spitzbübisch grinsend, vor einer Orgel sitzend, die blauen Orgelschuhe an den Füßen.
Ja, die beiden waren schon eine Welt für sich.
Aber auch Claudes Werdegang konnte sich sehen lassen. Patrice hatte ihn heute während der Arbeit gegoogelt, Konzertberichte gelesen und Claudes Facebookprofil gestalkt. Er hatte nicht die Finger davon lassen können und sich auf nichts anderes konzentrieren können als den Gedanken, dass er Claude am Abend womöglich wiedersah. Also hatte er es gleich ganz sein gelassen und die neue Version des Projektplans gekonnt ignoriert, die eigentlich auf seinem Schreibtisch gelegen hatte. Claude hatte sein Studium in Rekordzeit durchgezogen und auch drei namhafte Wettbewerbe für Nachwuchsdirigenten für sich entscheiden können. Man handelte ihn mittlerweile als hoffnungsvolles Talent und bot ihm größere Orchester und anspruchsvollere Projekte an. Für Claude war es wohl die richtige Entscheidung gewesen nicht mehr länger als Geiger zu arbeiten, sondern umzusatteln. Natürlich freute sich Patrice ungemein für ihn.
So viel hatte sich geändert, sie hatten sich verändert. Vielleicht die Ausgangsbasis für einen Neuanfang? Oder war es zu viel der Veränderung? Würde ihn Claude überhaupt wiedererkennen – sofern Patrice den Mut aufbrachte sich zu erkennen zu geben? Womöglich war Claude auch mit einem neuen Lover hier. Nein, das hätte ihm Alexis gesagt. Claude war in den letzten Jahren kein Kind von Traurigkeit gewesen und hatte wohl auch zwei ernsthafte Beziehungen gehabt – Alexis hatte ihn darüber widerstrebend auf dem Laufenden gehalten – doch aktuell gab es niemanden. Also ganz wie bei Patrice.
Aber erinnerte sich Claude überhaupt noch an ihn? Oder war er nur eine kleine Randepisode gewesen?
Diese Fragen stellte er sich jetzt seit nunmehr sieben Jahren. Es wurde Zeit, dass
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