Con molto sentimento (German Edition)
dann strikt verboten vier Wochen lang ein Klavier auch nur anzusehen. Zum Glück war es nur eine leichte Reizung, aber es war mir eine Lehre in Zukunft noch mehr aufzupassen.«
»Du machst noch diese Taschenspielertricks?« Während seiner Rehabilitation hatte Federicos Therapeut ihm aufgetragen typische Taschenspielertricks zu lernen: Eine Münze über die Finger wandern zu lassen oder möglichst kunstvoll Spielkarten zu mischen. Diese Übungen hatten Federico geholfen wieder seine alte Beweglichkeit und Geschicklichkeit zu erlangen.
»Natürlich. Einen 190 Helix Cut bekomme ich allemal noch hin. Außerdem kann man damit so schön beim Karten spielen angeben. Nicht, dass ich oft Karten spielen würde.« Federico grinste breit und hielt Claude einen Löffel mit Tiramisu hin. »Na? Du starrst es doch schon die ganze Zeit an. Gib es doch zu«, drängte Federico und klimperte mit den Wimpern.
Schuldbewusst nahm sich Claude den Löffel während Federico lachend nach einem zweiten verlangte. Sein alter Freund hatte sich so sehr verändert. Nie war dies Claude so bewusst geworden wie jetzt. Bemerkte es Federico auch? Er gab sich so weltmännisch und erfahren, dabei war er doch erst 23 Jahre alt!
Dagegen meinte Claude, dass er auf der Stelle trat. Er hatte keinen festen Partner und auch keinen Doktortitel in Aussicht, wie Federicos Lover, der auch nur drei Jahre älter als Claude war.
Aber Claude musste sich auch zugestehen, dass er bis jetzt mit seinem Leben immer zufrieden gewesen war und ob er diese Ungewissheit und Tiefen hätte durchstehen können und wollen, die hinter Federico lagen und die er für seinen Traum als Starpianist hatte auf sich genommen?
Nein, da war Claude lieber ein ganz normaler Student, dessen Ambitionen nicht ganz so weit oben in den Sternen lagen und dessen drängendstes Problem ein Pfund zu viel auf der Waage war.
5
Fußball, so befand Patrice, war für ihn nur dann einigermaßen interessant, wenn er angetrunken war. So traurig dies auch klingen mochte. Alkohol machte die Tatsache einfacher erträglich, dass er sich von seinem Stiefbruder zu so einem drittklassigen Spiel hatte mitschleifen lassen.
Mit Lucs Clique waren sie über die Grenze nach Frankreich gefahren, schon im Zug dorthin war der erste Kasten Bier geleert worden. Patrice hatte sich zuerst noch zurückgehalten, doch schließlich den Gängeleien von Luc nachgegeben und ordentlich mitgebechert. Luc hatte ihn nämlich auch nur mitgenommen, um sich insgeheim über Patrice lustig zu machen und selbstverständlich wollte sich Patrice keine Blöße geben.
Er alleine wäre nicht in zehn kalten sibirischen Wintern in so ein Kaff gefahren, um sich ein Fußballspiel anzusehen, wenn sein Stiefvater sich nicht erst wieder gestern darüber ausgelassen hätte, dass Patrice so ein Stubenhocker wäre und doch aus ihm nie ein richtiger Mann werden würde. Der ›richtige Mann‹ sah dabei in Urs‘ Vorstellung eher so aus wie sein leiblicher Sohn Luc: In Fußballstadien einen drauf machen, den Mädchen vom Sanitätsdienst nachpfeifen und sich an den halbnackten Models der Bierwerbung aufgeilen. Alles in Allem jene Dinge, die Patrice noch nie sonderlich interessiert hatten. Fußball war höchstens als Videospiel auf der neuesten Spielkonsole für ihn von Bedeutung und selbst da konnte er Sportsimulationen im Allgemeinen nichts abgewinnen. Und was Frauen anging... Auf diesem Feld hatte er nun wirklich überhaupt keine Erfahrung. Irgendwie tragisch, immerhin war er beinahe achtzehn und die einzige Frau, die er je leibhaftig nackt gesehen hatte, war Louise im Schwimmunterricht der achten Klasse gewesen. Das arme Mädchen war aus Versehen nach dem Duschen in die Umkleide der Jungs gestolpert. Patrice glaubte nicht, dass sie zählte.
Doch nach vier Bier, zumindest glaubte er, dass es vier Stück waren, beteiligte sich sogar Patrice an Diskussionsthemen wie die Beschaffenheit von Silikonimplantaten und ob sie wirklich platzen konnten, wenn eine Frau mit besagten Brustimplantaten in ein Flugzeug stieg. Diese äußerst kontrovers geführte Diskussion dauerte auch die gesamte Rückfahrt nach Genf an. Das Fußballspiel selbst war irgendwann nur noch Nebensache gewesen. Alles egal, so lange es einen Bierkasten in der Nähe gab. Patrice wusste nicht einmal mehr, welche Mannschaft gewonnen hatte.
Luc hatte sich nach dem Spiel von der Gruppe abgeseilt. Patrice wollte erst gar nicht wissen, was sein
Weitere Kostenlose Bücher