Conan der Barbar
Conan, während er an dem Gitter drückte, um es weiter zu öffnen. Das Mädchen zwängte sich durch die schmale Öffnung und rannte – ihren Pelzumhang und die schleierfeinen Gewänder an ihren nackten Busen drückend – schreiend hinaus in die Nacht.
Mit aller Kraft warf Conan sich jetzt gegen das Gitter. Die Tür löste sich nun auch aus der zweiten Angel und fiel den Hang hinab. Die Erde schaukelte unter seinen Füßen, als Conan in den Mondschein hinausstolperte und mit großen Augen auf die Verwüstung starrte. Er sah, daß die Hütten von Kolari eingestürzt waren und ihre jetzt obdachlosen Besitzer kopflos herumrannten, wie Ameisen nach der Zerstörung ihres Baus.
»Conan!« hörte der Barbar die Stimme Toghruls. »Conan! Hilf mir!«
Am Fuß des niedrigen Hügels sah Conan den Kopf des Kampfmeisters aus einem weiten Spalt in der Erde herausragen. Der Boden mußte sich unmittelbar unter des Hyrkaniers Füßen geöffnet und ihn bis zu den Schultern verschluckt haben. Toghrul war in den Spalt eingekeilt und konnte sich nicht selbst befreien.
»Zieh mich heraus!« bat der Kampfmeister Conan.
»Warum sollte ich?«
»Ich gebe dir Gold! Und deine Freiheit! Nur rette mich!«
»Meine Freiheit?« Conan warf den Kopf zurück und lachte – sein erstes wirklich herzhaftes Lachen, seit die Vanir ihn vor zehn Jahren gefangengenommen hatten. »Die habe ich bereits. Bleib, wo du bist! Wenn die Erde dich verschlingt, um so besser!«
Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und stapfte davon. Im Schein des Mondes nahm er sich als einstweiliges Ziel einen Hain auf einem niedrigen Hügel in der Ferne. Er hatte weder Mundvorrat noch Waffen, noch ein echtes Ziel, er wußte nur, daß es im Süden wärmer war. Hinter ihm hob Toghruls Stimme sich verzweifelt zu einem schrillen Schrei, als in einem letzten Erbeben der Erde, sich der Spalt, in dem er steckte, wieder schloß.
Conan sah in der Richtung, die er sich erwählt hatte, weder Lebende noch Tote, erst nach einem längeren Marsch einen hyrkanischen Krieger tot unter einem auf ihn gestürzten Baum. Conan kniete sich nieder und befreite die Leiche von all den Dingen, die er brauchen konnte: Stiefel, Feuerstein und Stahl, einem Dolch, einem Pelzumhang und einem Beutel mit Münzen. Auch des Kriegers Pfeil und Bogen nahm er an sich. Allerdings betrachtete er sie zweifelnd, denn die Cimmerier benutzten Bogen kaum, und Conan hatte nicht gelernt, damit umzugehen.
»Du brauchst das Zeug in der Hölle nicht, Hyrkanier«, sagte er zufrieden, »und mir mag es gute Dienste leisten, ehe ich mich dir dort anschließe.« Er schlüpfte in die warmen Sachen des Toten und machte sich durch die Bäume weiter auf den Weg.
Als das erste Grau des Morgens den Himmel im Osten färbte, beschleunigte Conan seinen Schritt, mit dem Süden als sein Ziel.
Die Hexe
Die Hexe
D IE H EXE
Südwärts erstreckte die Ebene sich unter einem bleigrauen Himmel. Da und dort spitzte bereits ein Fleckchen kahler Erde schwarz aus dem Schnee ringsum.
Kurz hielt Conan im Ausschreiten inne, um über seine Spuren zurückzublicken. Seine scharfen Ohren hörten das verräterische Winseln, und so wußte er, daß die Wölfe seiner Fährte immer noch folgten. Er runzelte finster die Stirn, schob das Kinn vor, und hüllte sich enger in den Bärenfellumhang. Wenn er nur irgendwo in diesem trostlosen flachen Land einen Felsen oder irgend etwas anderes fände, das ihm als Rückendeckung dienen könnte, dann würde er sich dem Rudel stellen und seinen Dolch gute Arbeit leisten lassen.
Grimmig stapfte der Cimmerier weiter, aber in dem stumpfen Grau des unbewegten Morgendunsts konnte er das Terrain nur unklar erkennen. Doch das entmutigte ihn nicht. Unentwegt suchten seine scharfen Augen nach einem Unterschlupf oder irgendeinen Schutz gegen die hungrigen Tiere. Endlich bot sich seinem Blick etwas, das ihm vielleicht von Nutzen sein mochte. Es war nur eine niedrige Erhebung, eine Erdfalte, aber der Buckel war mit Felsbrocken übersät. Auf der Kuppe dieses Hügels beabsichtigte er, auf die Wölfe zu warten, denn dort konnten die ausgehungerten Tiere nur einzeln an ihn heran, oder höchstens paarweise.
Als er den felsigen Hang hochzusteigen begann, glitten seine Stiefelsohlen immer wieder auf der dünnen Eisschicht aus. Ein kalter Wind erhob sich plötzlich und zerrte an seinem Umhang, als wolle er ihn zurückhalten. Aber Conan gab nicht auf und kam auch langsam höher. Als er kurz Atem schöpfte, drehte er
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