Conan-Saga 01 - Conan
sich über den Tisch, nahm das Juwel in beide Hände und stierte in seine verschleierte Tiefe, als wäre der Stein ein Magnet, der seine schaudernde Seele aus dem Leib zog. Conan beobachtete ihn und glaubte seinen Augen nicht trauen zu können. Denn als Yara sich von dem Diwan erhob, war er ihm von riesenhafter Größe vorgekommen, doch jetzt sah er, daß Yaras Kopf ihm kaum bis zur Schulter reichen konnte. Er blinzelte verwirrt, und zum erstenmal in dieser Nacht zweifelte er an seinem Verstand. Doch da wurde ihm mit einem Schock klar, daß der Priester schrumpfte, vor seinen erstaunten Augen immer kleiner wurde.
Mit einem Gefühl der Unwirklichkeit starrte Conan auf das Geschehen. Er zweifelte an sich selbst, obgleich ihm durchaus klar war, daß er hier Zuschauer eines Dramas gewaltiger kosmischer Kräfte war, wie kein Sterblicher sie sich vorzustellen vermochte.
Jetzt war Yara nicht mehr größer als ein Kind, dann lag er wie ein Säugling auf dem Tisch, und immer noch umklammerte er das Juwel. Doch plötzlich wurde dem Zauberer sein Geschick bewußt. Er sprang auf und gab den Stein frei. Aber er schrumpfte weiter, und Conan sah eine winzige Gestalt wild über die Ebenholzplatte rennen. Sie fuchtelte mit den kleinen Ärmchen und schrillte mit einer Stimme, die einem Insektenzirpen gleichkam.
Und nun war er so sehr geschrumpft, daß das große Juwel neben ihm wie ein Berg wirkte. Conan bemerkte, daß das Miniaturwesen die Hände auf die Augen drückte, als müsse es sie vor einem blendenden Leuchten schützen, während es sich taumelnd in Sicherheit zu bringen suchte. Conan spürte, daß eine fremdartige magnetische Kraft Yara zu dem Stein zog. Dreimal rannte er in einer sich immer mehr verengenden Spirale um das Juwel. Dreimal versuchte er, sich umzudrehen und über die Tischplatte davonzulaufen, doch dann warf der Priester mit einem Schrei, der nur schwach in den Ohren des Beobachters klang, die Arme empor und rannte geradewegs auf die feurige Kugel zu.
Conan beugte sich tief darüber und konnte nun Yara die glatte, gekrümmte Oberfläche hochklettern sehen – ein Unterfangen, das normalerweise unmöglich war, denn welcher Mensch vermag einen kugelförmigen Glasberg zu erklimmen? Und jetzt stand der Priester oben. Er warf die Arme zurück und rief verzweifelt etwas, das nur die Götter noch zu hören vermochten. Und plötzlich sank er geradewegs in das Herz des Juwels, so wie ein Mensch im Meer versinken mag, und Conan sah, wie die rauchigen Wogen sich über seinem Kopf schlossen. Und plötzlich war das Juwel wieder kristallklar, und Conan wurde Zeuge eines Schauspiels inmitten des blutroten Steinherzens, doch alles wirkte so winzig, als sähe er es aus weiter Ferne. Eine grüne leuchtende Gestalt mit mächtigen Schwingen, dem Körper eines Menschen und dem Kopf eines Elefanten – nicht länger blind und verstümmelt –, zeigte sich mit einemmal in diesem Herzen. Yara warf die Arme hoch und lief so schnell er konnte. Doch der Rächer folgte ihm. Und dann platzte das große Juwel in einem regenbogenfarbigen Sprühen wie eine Seifenblase, und die Tischplatte aus Ebenholz lag leer und verlassen – so leer, das wußte Conan irgendwie ganz sicher, wie das Marmorbett in dem oberen Gemach, wo die Leiche des fremdartigen transkosmischen Wesens gelegen hatte, das sich Yag-kosha und Yogah nannte.
Der Cimmerier drehte sich um und rannte aus der Kammer und die Silbertreppe hinunter. So benommen war er, daß er gar nicht daran dachte, den Turm auf die gleiche Weise zu verlassen, wie er ihn betreten hatte. Und so eilte er die Stufen der Wendeltreppe hinab und kam zu einem größeren Gemach, das an ihrem Fuße lag. Dort hielt er abrupt an, denn es war die Wachkammer der Soldaten. Er sah das Glitzern ihrer Silberharnische, das Funkeln ihrer juwelenverzierten Schwertknaufe. Sie saßen zusammengekauert am Tisch, auf dem sich noch Essensreste befanden, und die dunklen Federbüsche an den Helmen wippten. Sie lagen zwischen ihren Würfeln und den ihren Händen entglittenen Bechern auf dem weinbefleckten Lapislazuliboden. Sie waren alle tot. Yogah hatte sein Versprechen gehalten. Ob Zauberei oder der fallende Schatten der mächtigen grünen Schwingen dem Gelage der Soldaten ein Ende gemacht hatte, wußte Conan nicht zu sagen. Aber nichts behinderte seinen Weg. Eine Silbertür stand offen für ihn und durch sie schimmerte bereits der Morgen.
Er trat hinaus in den Garten. Der Morgenwind trug ihm den würzigen Duft frischen
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