Conan-Saga 01 - Conan
»Hauptmann Nestor! Wie war das mit unseren Köpfen, wenn ...«
»Bezähmt eure Zungen, ihr alle!« schnaubte der Offizier. »Man kann euch ja bis in Arenjun hören. Wenn Conan sich auch nur innerhalb einer Meile von uns aufhält, wird er gewarnt sein. Also, haltet das Maul und versucht auch, euch mit ein bißchen weniger Waffengeklirr zu bewegen!«
Der Offizier war ein breitschulteriger Mann mittlerer Größe. Das Tageslicht hätte offenbart, daß seine Augen grau und sein hellbraunes Haar mit Grau durchzogen war. Er war ein Gundermann aus der nördlichsten Provinz von Aquilonien, fünfzehnhundert Meilen westlich von Shadizar. Sein Auftrag, Conan tot oder lebendig zurückzubringen, behagte ihm gar nicht. Der Präfekt hatte ihn gewarnt, daß ihn eine strenge Bestrafung erwartete – vielleicht sogar der Henkersblock! –, falls er ohne ihn zurückkäme. Es war des Königs persönlicher Befehl, den Gesetzlosen festzunehmen. Und der König von Zamora machte kein Federlesens mit Staatsdienern, die versagten. Aus der Unterwelt war ein Tip gekommen, daß Conan sich am frühen Nachmittag in Richtung Schlucht auf den Weg gemacht hatte. Also beeilte Nestors Vorgesetzter sich, ihn hastig mit den paar Soldaten, die sich zu dieser Zeit in der Kaserne aufgehalten hatten, auszuschicken.
Nestor hatte kein besonderes Vertrauen zu den Männern, die ihm folgten. Er hielt sie für Großmäuler, die im Angesicht der Gefahr die Beine in die Hand nehmen und ihn allein gegen den Barbaren kämpfen lassen würden. Obgleich er durchaus kein Feigling war, machte er sich nichts vor, was seine Chancen gegenüber diesem wilden, riesenhaften jungen Barbaren betraf. Seine Rüstung würde ihm keinen nennenswerten Vorteil bieten.
Als das Abendrot am Westhimmel verglühte, vertiefte sich die Dunkelheit, und die Wände der Schlucht wurden steiler und schroffer und rückten näher zusammen. Die Männer hinter Nestor fingen wieder an, miteinander zu reden.
»Es gefällt mir gar nicht«, murmelte einer. »Dieser Weg führt zu den Ruinen von Larsha, der Verfluchten, wo die Geister der Alten lauem, um jeden Vorüberkommenden zu verschlingen. Und in dieser Stadt soll die Halle der Toten liegen ...«
»Maul halten!« knurrte Nestor und drehte den Kopf. »Wenn ...«
In diesem Moment stolperte der Offizier über einen Strick aus zusammengeknüpften rohen Fellstreifen und fiel der Länge nach ins Gras. Der Stock, an den der Strick gebunden war, wurde aus dem Boden gerissen und der Lederstrick lag schlaff im Gras.
Mit Krachen und Dröhnen löste sich ein Haufen Steine und Erde, und eine Geröllawine polterte den linken Schluchthang herab. Als Nestor wieder auf die Füße kam, prallte ein Felsbrocken von der Größe eines Männerkopfs gegen seinen Brustharnisch und warf ihn erneut zu Boden. Ein weiteres Felsstück riß ihm den Helm vom Kopf, während sich ein Hagel kleinerer Steine über ihn ergoß. Ein wildes Geschrei erklang hinter ihm und das Krachen von Steinen gegen Metall. Dann war alles still.
Nestor taumelte auf die Beine, hustete den verschluckten Staub aus und wandte den Kopf, um zu sehen, was passiert war. Ein paar Schritt hinter ihm hatte die gewaltige Geröllawine die Schlucht von Wand zu Wand verstopft. Als er näher herantrat, sah er eine Hand und einen Fuß aus den Felstrümmern ragen. Er rief nach seinen Männern, doch er erhielt keine Antwort. Er berührte die herausragenden Gliedmaßen und stellte fest, daß kein Leben mehr in ihnen war. Der Felsrutsch, durch den Lederstrick ausgelöst, hatte seinen ganzen Trupp erschlagen.
Nestor atmete tief durch und bewegte sich vorsichtig, um festzustellen, ob er irgendwelche Verletzungen davongetragen hatte. Offenbar waren keine Knochen gebrochen, obgleich sein Brustharnisch mehrere Dellen hatte. Mit nur ein paar Blutergüssen war er glimpflich davongekommen. Brennender Grimm erfüllte ihn. Er suchte nach seinem Helm und nachdem er ihn gefunden hatte, nahm er allein die Verfolgung auf. Den Dieb nicht zu erwischen, wäre schon schlimm genug gewesen, aber auch noch den Tod seiner Männer melden zu müssen, würde ihm zweifellos einen qualvollen und bestimmt nicht schnellen Tod einbringen. Seine einzige Chance war, Conan zurückzubringen – oder zumindest seinen Kopf.
Mit dem Schwert in der Hand humpelte Nestor den endlosen, gewundenen Weg durch die Schlucht weiter. Ein Schein am Himmel verriet ihm, daß der Mond aufging. Er strengte die Augen an, denn jeden Moment erwartete er, daß der Barbar
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