Conan-Saga 01 - Conan
genossenen harten Getränke nicht seine Sinne benebelt. Verwirrt und benommen verfehlte er in seiner Hast die offene Tür und rannte so heftig gegen die Steinmauer, daß ihm die Sinne schwanden. Als sie zurückkehrten, befand er sich im sichersten Kerker der Stadt und war mit Ketten an die Wand gefesselt, die nicht einmal seine barbarischen Muskeln zu sprengen vermochten.
In diese Zelle kam Murilo, maskiert und in einen weiten schwarzen Umhang gehüllt. Der Cimmerier betrachtete ihn voll Interesse, denn er hielt ihn für den Henker, den man geschickt hatte, ihn hinzurichten. Murilo klärte ihn jedoch schnell auf und musterte ihn mit nicht weniger Interesse. Selbst im schwachen Licht des Kerkers und an der Wand festgekettet war die primitive Kraft des Mannes unverkennbar. Sein mächtiger Körper und die muskelbepackten Glieder vereinten die Stärke eines Bären mit der Geschmeidigkeit und Flinkheit eines Panthers. Unter der wirren schwarzen Mähne funkelten seine blauen Augen mit unbezähmbarer Wildheit.
»Möchtet Ihr am Leben bleiben?« fragte Murilo. Der Barbar brummte, und noch stärkeres Interesse erwachte in ihm.
»Wenn ich Euch die Flucht ermögliche, werdet Ihr mir dann einen Gefallen tun?« fragte der Edelmann.
Der Cimmerier schwieg, aber die Eindringlichkeit seines Blickes antwortete für ihn.
»Ich möchte, daß Ihr einen Mann für mich tötet.«
»Wen?«
Murilos Stimme wurde zum Wispern: »Nabonidus, den Priester des Königs!«
Der Cimmerier verriet weder Überraschung noch Bestürzung. Er kannte die Furcht und den Respekt vor der Obrigkeit nicht, wie sie bei den zivilisierten Menschen schon fast angeboren sind. Ob König oder Bettler, ihn scherte es nicht. Noch fragte er, weshalb Murilo zu ihm gekommen war, wo sich doch außerhalb des Kerkers genügend Mordbuben herumtrieben, die sich gern verdingen ließen.
»Wann soll ich fliehen?« fragte er.
»Schon in der kommenden Stunde. Des Nachts hält nur ein Wächter sich in diesem Teil der Verliese auf. Er ist bestechlich. Ich habe ihn bestochen. Hier sind die Schlüssel zu Euren Ketten. Ich öffne sie, und nachdem ich wieder zu Hause bin, wird der Wächter, Athicus ist sein Name, die Tür zu Eurer Zelle aufsperren. Ihr werdet ihn mit Streifen binden, die Ihr aus Eurem Kittel reißt, damit die Polizei, wenn er gefunden wird, glaubt, daß Ihr mit Hilfe von außen entkommen konntet, und ihn so nicht verdächtigt. Begebt Euch dann direkt zum Hause des Roten Priesters und tötet ihn. Von dort eilt zum Rattennest, wo Euch ein Mann mit einem Pferd und einem Beutel Gold erwarten wird. Damit könnt Ihr sicher aus der Stadt entkommen und außer Landes fliehen.«
»So nehmt mir meine Ketten ab«, verlangte der Cimmerier, »und sorgt dafür, daß der Wärter mir zu essen bringt. Bei Crom, ich habe den ganzen Tag nichts als einen Brocken verschimmeltes Brot und Wasser bekommen. Ich bin dem Verhungern nahe.«
»Wird getan. Aber denkt daran – Ihr dürft nicht fliehen, ehe ich nicht Zeit hatte, mein Haus zu erreichen.«
Von seinen Ketten befreit, erhob sich der Barbar und streckte seine muskulösen Arme, die in der Düsternis des Verlieses gewaltig wirkten. Murilo war überzeugt, wenn ein Mensch auf dieser Welt tun konnte, was er verlangte, so war es dieser Cimmerier. Mit ein paar wiederholten Anweisungen verließ er den Kerker, nicht ohne Athicus zu beauftragen, dem Gefangenen eine Platte kalten Braten und eine Kanne Bier zu bringen. Er wußte, daß er dem Wärter vertrauen konnte, nicht nur des Geldes wegen, mit dem er ihn bezahlt hatte, sondern auch aufgrund bestimmter Dinge, die er über ihn wußte.
Als er zu seinen Gemächern zurückkehrte, hatte Murilo seine Angst völlig unter Kontrolle. Nabonidus würde durch den König handeln, dessen war er sicher. Und da die königlichen Wachen nicht an seine Tür pochten, hatte der Priester bisher auch noch nicht mit dem Monarchen gesprochen. Das würde er zweifellos morgen tun – wenn er so lange lebte.
Murilo zweifelte nicht, daß der Cimmerier seinen Auftrag durchzuführen versuchen würde. Ob es ihm gelang, mußte sich noch herausstellen. Es war nicht das erstemal, daß jemand versucht hatte, den Roten Priester zu ermorden – und bisher waren die Attentäter eines schrecklichen, unbeschreiblichen Todes gestorben. Doch bei ihnen hatte es sich um Männer gehandelt, die in den Städten aufgewachsen waren und denen die wölfischen Instinkte des Barbaren gefehlt hatten. Sogleich nachdem Murilo das
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