Conan-Saga 02 - Conan und der Zauberer
dort befand, wo er ihn mit dem Umhang abgelegt hatte. Er hatte sich lange in Hisarr Zuls Palast aufgehalten, viel länger als beabsichtigt. Hisarrs vorstehende Augen ruhten auf ihm, und seine klangvolle Stimme erklärte ihm, wie er zur Hintertür seines Hauses käme. Durch diese Tür würde er das Gebäude verlassen – nicht als Gast, nicht einmal als Dieb, sondern als Diener.
Conan blickte verlangend nach dem Spiegel und überlegte flüchtig, ob er ihn sich nicht mit Gewalt holen sollte.
»Nur ich kann deine Seele wieder daraus befreien, Barbar«, erinnerte ihn Hisarr und wich zurück. »Sie ist sicher bei mir aufgehoben – sagen wir, einen Monat lang.«
»Nach Zamboula ist es weiter als einen Monatsritt.«
»Nun, dann mußt du eben zusehen, daß du die Frau eher einholst. Soll ich dich vielleicht begleiten? So geh schon, Diener!«
Conans Blick folgte der weisenden Hand des Hexers. Zwei weitere gerüstete Wächter standen an der Tür. Jeder hielt ein blankes Schwert. Beide starrten leeren Blickes vor sich hin. Tausend Ameisen schienen Conans Rücken hinaufzukrabbeln, als er diese auf stumpfe Weise entschlossenen Männer betrachtete, die einst Diebe – Menschen – gewesen waren.
Seelenlos! dachte er und haßte Hisarr Zul, weil der sein Schaudern bemerkt hatte.
Conan ging zur Tür und bemühte sich um seine übliche stolze Haltung und den festen Schritt. »Ich werde nachsehen, was der Iranistanier bei sich hat«, sagte er und tat es kurz darauf.
Die Leiche sah grauenvoll und übelkeiterregend aus. Sie war dunkelviolett und angeschwollen wie eine Samenkapsel kurz vor dem Bersten.
»Ich werde dich nicht berauben, Freund«, murmelte Conan. »Doch du kannst mir noch ein wenig helfen.«
Er täuschte Ungerührtheit vor, während er sich des Iranistaniers Waffengürtel bemächtigte. Daran hingen die Scheiden eines Dolches und des schwertlangen Ilbarsidolches, außerdem ein Beutel. Conan schnallte sich den Gürtel um und hoffte, der Beutel sei mit Münzen gefüllt, obgleich er es bezweifelte. Dann bückte er sich nach der langen Klinge und schob sie in ihre Hülle.
»Weist mir den Weg aus dem Haus!«
Die beiden schweigenden Wächter gehorchten. Conans eigene Waffen und der Gürtel lagen neben der Tür, zusammen mit dem Haarseil. Der Cimmerier schnallte sich den eigenen breiten Gürtel über den Gürtel Ajhindars. Einer der seelenlosen Männer hielt die Tür weit auf, damit der neue Diener in die noch finstere Nacht treten möge.
»Ihr habt keine Seele mehr«, sagte der Cimmerier und blieb an der Tür stehen. »Wollt ihr weiter dem Mann dienen, der sie euch stahl, oder soll ich euch den Tod schenken?«
Zum erstenmal bekam Conan jetzt einen der Wächter zu hören.
»Seelenlos zu leben, ist lebenden Leibes tot zu sein, Cimmerier. Ohne eine Seele zu sterben, ist noch viel schlimmer.« Der ehemalige Mensch schlug die Tür hinter Conan zu.
Des Cimmeriers Nackenhärchen hatten sich beim Klang dieser Stimme aufgestellt – es war die Stimme Hisarr Zuls!
4. In der Oase des Todes
4
IN DER OASE DES TODES
In einer Oase, tatsächlich zwei lange Tagesritte von Arenjun entfernt, lag Conan auf dem Rücken und starrte blicklos zum Himmel und seinen Sternen empor, die wie Millionen glitzernder Edelsteine funkelten – oder wie eine Million starrender Augen. Sein Pferd schlief ganz in seiner Nähe, und das Tier eines anderen Oasenbesuchers schnaubte etwas weiter entfernt.
Seelenlos! dachte Conan, und er haßte Hisarr Zul, weil der ihn schaudern gesehen und ihn hilflos gemacht hatte.
Doch spielte es wirklich eine Rolle? Conan hätte es gern mit Sicherheit gewußt. Der grimmige Herr der Berge, Cimmeriens oberster Gott, war wild und düster. Er versprach kein Leben nach dem Tod. Bei der Geburt hauchte er Kraft in die Seele der Menschen, Kraft, um zu kämpfen und zu töten. ›Was kann man anderes von den Göttern erbitten?‹ hatte Conans Vater gesagt. Nun, andere Menschen in anderen Ländern erbaten viel mehr und glaubten auch viel mehr an ihre Götter. Ja, wenn er nur sicher sein könnte! Wenn dieses Leben alles war, was es gab, bedeutete eine Seele nichts.
Und doch – dieses Gefühl der Leere quälte Conan und würde es weiter tun, das wußte er, bis er von Hisarr Zul den Inhalt dieses schrecklichen kleinen Spiegels zurückerhalten hatte. Sollte nur jemand sagen, es sei reine Einbildung, die Hisarrs Augen ihm aufgezwungen hatte! Conan wußte, daß er dieses scheußliche Gefühl gleich nach dem
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