Conan-Saga 06 - Conan von Cimmerien
unverwundeten meiner Männer.« Sein Blick glitt abschätzend über das Idol. »Hätte ich geahnt, daß der Tempel solche Schätze zu bieten hat, hätte ich sie mir trotz allen Aberglaubens meines Volkes längst geholt. Rustum, heb seinen Säbel und Dolch auf!«
Der Mann starrte auf den ehernen Knauf von Conans Säbel, der zu einem Falkenkopf geschmiedet war.
»Warte!« rief er. »Das ist der Mann, der mich in Arenjun vor der Folter bewahrte. Ich erkenne seine Klinge!«
»Schweig!« knurrte Keraspa. »Der Dieb stirbt!«
»Nein, er rettete mein Leben! Was dagegen habe ich dir zu verdanken, außer schwerer und gefährlicher Aufträge und schlechter Bezahlung? Ich bin dir zu nichts verpflichtet!«
Rustum trat vor und hob Conans Krummsäbel auf, da schoß der Häuptling seinen Pfeil ab. Er drang in Rustums Leib. Der Mann schrie gellend auf und taumelte unter der Wucht des Aufpralls rückwärts über den Rand des Spaltes. Schwächer wurden seine Schreie, bis sie schließlich ganz verstummten.
So schnell wie eine Schlange zog Keraspa einen weiteren Pfeil aus dem Köcher und legte ihn an die Sehne, noch ehe der unbewaffnete Cimmerier ihn anspringen konnte, als plötzlich der rubinbesteckte Gott mit metallischem Knirschen vom Podest herabstieg und einen langen Schritt auf Keraspa zu machte.
Mit einem grauenvollen Schrei schoß der Häuptling auf die zum Leben erwachte Statue. Der Pfeil prallte von der goldenen Schulter ab, während die langen Arme des Idols vorschnellten und Keraspa an einem Arm und einem Bein packten.
Schrei um Schrei schrillte über die schaumbedeckten Lippen des Häuptlings, als der Gott sich umdrehte und mit schweren Schritten auf den Spalt zustapfte. Conan war vor Schrecken erstarrt. Das Idol versperrte ihm den Weg zum Ausgang. Weder rechts noch links konnte er an der lebenden Statue vorbei, ohne in die Reichweite ihrer Arme zu geraten.
Der rote Gott erreichte den Spalt. Er hob Keraspa hoch über dem Kopf, um ihn in den Abgrund zu schmettern. Conan sah, wie der Mund zwischen dem schaumbedeckten Bart sich zu einem noch gräßlicheren Schrei öffnete. Wenn die Statue sich Keraspas entledigt hatte, würde sie zweifellos nach ihm, Conan greifen. Die Priester hatten also die Opfer für den Gott gar nicht in den Spalt zu stoßen brauchen. Das Idol erledigte das ganz allein.
Als der Gott sich auf den goldenen Fersen zurücklehnte, um den Häuptling in den Abgrund zu werfen, tastete Conan hinter sich und berührte das Holz eines der Throne. Vermutlich waren sie einst für die Hohenpriester des Kultes bestimmt gewesen. Der Cimmerier drehte sich um, faßte den schweren Sessel an der Rückenlehne und stemmte ihn hoch. Die Muskeln drohten ihm zu bersten, als er den Thron über seinem Kopf wirbelte und ihn dem Gott zwischen den Schulterblättern auf den Rücken schmetterte, gerade als der den immer noch schreienden Keraspa in den Abgrund schleuderte.
Unter der Wucht des Aufpralls zersplitterte das Holz des Thrones krachend. Der Hieb hatte den Götzen getroffen, als er im Schwung des Wurfes vorwärtsgebeugt war. Einen Herzschlag lang schwankte die goldene Monstrosität am Rand des Spaltes. Die langen, juwelenbesetzten Arme griffen ins Leere. Dann stürzte auch sie in den Schlund.
Conan ließ die Bruchstücke des Thrones fallen und beugte sich über den Abgrund. Keraspas Schreie waren verstummt. Conan glaubte zu hören, wie das Idol ein paarmal gegen die Wände des Spaltes prallte, aber sicher war er sich dessen nicht. Er hörte keinen endgültigen Aufprall. Schließlich herrschte nur noch Stille.
Conan fuhr sich mit dem muskelschwellenden Unterarm über die schweißnasse Stirn und grinste trocken. Der Fluch des blutbefleckten Gottes hatte mit dem Idol sein Ende gefunden. Den Reichtum, der mit der Statue im Abgrund verschwunden war, hielt Conan für keinen zu hohen Preis für sein Leben. Schließlich gab es noch viele andere Schätze, ihn aber gab es nur einmal.
Er hob seinen Krummsäbel auf, nahm sich Rustums Bogen und schritt hinaus in die wärmende Morgensonne, um sich in den Sattel zu schwingen.
Ymirs Tochter
Ymirs
Tochter
Y MIRS T OCHTER
Robert E. Howard
Angewidert von der Zivilisation und ihrer Zauberei kehrt Conan in seine cimmerische Heimat zurück. Nach etwa zwei Monaten, die er hauptsächlich mit Zechen und in weichen Frauenarmen verbringt, erfaßt ihn Ruhelosigkeit so stark, daß er sich seinen alten Freunden, den AEsir, auf einen Raubzug nach Vanaheim
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