Conan-Saga 06 - Conan von Cimmerien
trotzdem zu.«
Conan warf einen Blick auf die Karte und steckte sie in seinen Gürtel. »Schon gut, ich bin nicht nachtragend. Ich halte nicht viel von Euch, aber wenn Ihr nicht versucht, uns hereinzulegen, habt Ihr von uns nichts zu befürchten, richtig, Sassan?«
Der Iranistanier nickte und sammelte einen Köcher voll Pfeile ein.
Die Pferde von Zyras' Trupp waren in dem Paß hinter dem Wall angekoppelt. Die drei Männer nahmen die besten Tiere und führten den Rest die Schlucht jenseits des Passes hoch. Die Nacht brach herein, aber aufgrund der zu erwartenden Verfolgung verzichteten die Männer auf eine Rast.
Conan beobachtete seine Begleiter mit Adlerblick. Der gefährlichste Zeitpunkt war, wenn sie das Idol erst in Händen hatten und sie gegenseitige Hilfe nicht mehr brauchten. Dann mochte es leicht dazu kommen, daß Zyras und Sassan sich gegen ihn verschworen, oder daß einer der beiden mit dem Vorschlag an ihn herantrat, den dritten zu töten. So hart und skrupellos der Cimmerier auch war, würde es seine Barbarenehre nie zulassen, von sich aus zum Verräter zu werden.
Er fragte sich auch, was Ostorio, der die Karte gezeichnet hatte, ihm noch mitteilen wollte, denn der Tod hatte sich seiner bemächtigt, als er Conan gerade den Tempel beschrieb. Der Nemedier war dabei gewesen, ihn vor etwas zu warnen – aber wovor?
Der Morgen dämmerte, als sie aus einer engen Kluft zu einem Tal mit steilen Wänden kamen. Der Engpaß, durch den dieses Tal von oben zu erreichen war, war offenbar der einzige Eingang dazu. Er endete auf einem dreißig Schritt breiten Sims, über dem die Felsen auf einer Seite einen guten Pfeilschuß weit hochragten und auf der anderen in unermeßliche Tiefen abfielen. Es schien keinen Weg hinab in das dunstverhangene Tal zu geben. Doch die Männer widmeten dieser Richtung ohnedies wenig Aufmerksamkeit, denn der Anblick vor ihnen vertrieb schnell jeglichen Hunger und alle Müdigkeit.
Auf dem Sims stand der Tempel, schimmernd in der aufgehenden Sonne. Er war aus dem Stein des Felsen dahinter gehauen, und sein Portikus schaute ihnen entgegen. Das Sims führte geradewegs zu seiner gewaltigen Bronzetür, die grün vor Alter war.
Welcher Kultur oder Rasse er entsprang, wußte Conan nicht zu sagen, aber im Augenblick interessierte es ihn auch gar nicht. Er breitete die Karte aus und studierte die Anmerkungen am Rand, um aus ihnen zu erfahren, wie die Tür geöffnet werden konnte.
Sassan schwang sich aus dem Sattel und rannte, jubelnd in seiner Gier, voraus.
»Narr!« knurrte Zyras und saß ebenfalls ab. »Ostorio hinterließ am Kartenrand einen Hinweis, daß der Gott seinen Tribut fordert.«
Sassan zog an den verschiedenen Ornamenten an der Tür. Freudig erregt schrie er auf, als sie sich unter seinen Fingern bewegten, doch aus dem Freudenruf wurde ein schriller Schreckensschrei, als die Tür, eine gute Tonne Bronze, nach unten schwang und den Iranistaner wie eine Fliege zerquetschte. Er war völlig unter der riesigen Bronzeplatte verborgen, aber die Lache Blut, die hervorsickerte, ließ keinen Zweifel an seinem Schicksal.
Zyras zuckte die Achseln. »Ich sagte ja, er war ein Narr. Ostorio mußte einen Weg gefunden haben, die Tür zu öffnen, ohne sie aus den Angeln zu heben.«
Ein Messer weniger, auf das ich aufpassen muß, dachte Conan. »Es sind gar keine richtigen Angeln«, sagte er, nachdem er den Mechanismus näher betrachtet hatte. »He! Die Tür richtet sich wieder auf!«
Die Angeln waren tatsächlich nur Täuschung. In Wirklichkeit steckte die Tür in zwei Gleitschienen an den beiden unteren Ecken und konnte so wie eine Zugbrücke nach außen gekippt werden. Von den beiden oberen Türecken führten Ketten diagonal hoch und verschwanden in Löchern im Türrahmen. Die Ketten hatten sich jetzt knirschend gespannt und zogen die Tür in ihre Ausgangsstellung zurück.
Conan griff nach der Lanze, die Sassan hatte fallen lassen. Er schob das Schaftende in eine Vertiefung im Ornament an der Türinnenseite und klemmte die Lanzenspitze in die Ecke des Türrahmens. Das Knirschen hörte auf und die Tür, die sich erst ein winziges Stück geschlossen hatte, blieb gähnend offen.
»Das war sehr geschickt, Conan«, lobte Zyras. »Da der Gott jetzt seinen Tribut hat, müßte der weitere Weg frei sein.«
Er stieg auf die nun ein wenig erhöhte Innenseite der Tür und trat in den Tempel. Conan folgte ihm. Auf der Schwelle blieben sie stehen und spähten vorsichtig in das Innere wie in eine
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