Conan-Saga 06 - Conan von Cimmerien
schwamm dahin wie ein Schwan, während es immer mehr Geschwindigkeit aufnahm.
Auf dem Pier drohten die Reiter schwertfuchtelnd und befahlen brüllend, die Galeere solle wenden, während sie gleichzeitig auf die säumigen Armbrustschützen einschrien, sich zu beeilen, ehe das Schiff außer Schußweite war.
»Laßt sie wüten!« sagte der kräftige Mann mit dem Schwert grinsend. »Haltet nur gut auf Kurs, Meister Steuermann!«
Der Schiffsherr stieg vom schmalen Bugdeck hinunter und zwischen den Rudererreihen hindurch zum Mitteldeck. Der Fremde lehnte dort mit dem Rücken gegen den Mast, und schaute sich mit dem Schwert in der Hand wachsam um. Der Schiffsherr wandte den Blick nicht von ihm und achtete darauf, auch nicht versehentlich mit der Hand, dem langen Dolch in seinem Gürtel zu nahe zu kommen. Er sah einen hochgewachsenen Mann von mächtiger Statur in schwarzem Haubert, mit brünierten Beinschienen und einem hochglänzenden, gehörnten Helm aus bläulichem Stahl vor sich. Über der Kettenrüstung trug der Fremde einen scharlachroten Umhang, der im Seewind von seinen Schultern flatterte. Ein breiter Chagrinledergürtel mit einer goldenen Schließe hielt die Scheide seines Breitschwerts. Unter dem Helm bildete die gerade geschnittene schwarze Mähne einen erstaunlichen Gegensatz zu den funkelnden blauen Augen.
»Wenn wir schon miteinander reisen müssen«, sagte der Schiffsherr, »sollten wir uns auch vertragen. Mein Name ist Tito, ich bin eingetragener Meisterschiffsherr der argossanischen Häfen. Ich segle nach Kush, um dort bei den schwarzen Königen Holzperlen, Seide, Zucker und Schwerter mit Messingknäufen gegen Elfenbein, Kopra, Kupfererz, Sklaven und Perlen einzuhandeln.«
Der Mann mit dem Schwert schaute auf die stetig weiter zurückbleibenden Kais, wo seine Verfolger immer noch hilflos gestikulierten und offenbar Schwierigkeiten hatten, ein Schiff zu finden, das flink genug war, die schnelle Galeere einzuholen.
»Ich bin Conan, ein Cimmerier«, antwortete er. »Ich kam nach Argos, um mich hier zu verdingen, aber ohne die Aussicht auf einen Krieg sah es nicht gerade gut für mich aus.«
»Weshalb verfolgten Euch die Soldaten?« erkundigte sich Tito. »Es geht mich ja nichts an, aber ich dachte ...«
»Ich habe nichts zu verbergen«, versicherte ihm der Cimmerier. »Bei Crom, obgleich ich schon ziemlich lange Zeit unter euch zivilisierten Menschen verbrachte, verstehe ich eure Gebräuche immer noch nicht so recht.
Nun, jedenfalls benahm sich gestern abend in einer Schenke ein Hauptmann der Königsgarde dem Mädchen eines jungen Soldaten gegenüber nicht so, wie man es von einem Offizier erwarten sollte. In seiner begreiflichen Empörung erstach der Soldat ihn. Aber offenbar gibt es hier irgendein verfluchtes Gesetz, das das Töten von Gardeoffizieren verbietet. Der Junge und das Mädchen flohen. Es sprach sich herum, daß ich mich in ihrer Gesellschaft befunden hatte, also befahl man mich heute vor Gericht und dort fragte man mich, wo der Junge sich verkrochen hätte. Aber da er mein Freund war, durfte ich ihn doch nicht verraten. Das ergrimmte den Richter, und er gebrauchte viele große Worte, daß es meine Pflicht gegenüber Staat und Gesellschaft sei – und noch vieles andere, was ich nicht verstand –, zu sagen, wohin der Junge geflohen wäre. Inzwischen war auch in mir der Grimm erwacht, denn ich hatte schließlich meinen Standpunkt dargelegt.
Aber ich unterdrückte meinen Zorn und hielt mich zurück. Das verärgerte den Richter offenbar so sehr, daß er behauptete, ich mißachte die Ehre des hohen Gerichts, und er bestimmte, daß ich so lange im Kerker schmachten sollte, bis ich meinen Freund verriete. Als ich sah, daß er und das ganze Gericht den Verstand verloren hatten, zog ich mein Schwert und hieb es dem Richter über den Schädel, dann kämpfte ich mir den Weg aus dem Gericht. Ich stolperte über das Pferd des hohen Gerichtsherrn, das in der Nähe angebunden war, und lieh es mir aus. Ich ritt zum Pier, denn ich hoffte, ein Schiff nach fernen Gegenden zu finden.«
»Auch ich empfinde keine große Liebe für die Gerichte«, gestand Tito. »Zu oft schröpften sie mich, wenn reiche Kaufleute mich zu Unrecht aus diesem oder jenem Grund verklagten. Ich werde wohl einige Fragen zu beantworten haben, wenn ich wieder in diesem Hafen anlege, aber ich kann beweisen, daß ich unter Androhung von Waffengewalt dazu gezwungen wurde, Euch mitzunehmen. Steckt also Euer Schwert ruhig ein. Wir sind
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