Conan-Saga 10 - Conan der Wanderer
hauchte sie. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und blickte ihm in die Augen.
Die Nähe ihres verführerischen Körpers ließ Conans Blut wallen, und der Duft ihrer Lippen stieg ihm zu Kopf. Doch als seine Arme sie an sich drücken wollten, wich sie geschmeidig aus. »Warte. Hilf mir zuerst.«
»Was soll ich deiner Meinung nach jetzt tun?« Das Reden fiel ihm schwer.
»Heb meinen Liebsten auf«, wies sie ihn an. Der Cimmerier bückte sich und legte sich den hochgewachsenen jungen Mann mühelos über die Schulter. In diesem Augenblick war er fast sicher, Jungir Khans Palast mit derselben Leichtigkeit umstoßen zu können. Das Mädchen flüsterte dem Bewußtlosen Zärtlichkeiten zu. Es war ganz offensichtlich, daß sie Alafdhal ehrlich liebte. Welche Abmachungen sie auch immer mit Conan traf – sie würden nichts an ihren Beziehungen zu Alafdhal ändern. Frauen sind in diesen Dingen eben praktischer veranlagt als Männer.
»Folge mir!« sie eilte die Straße entlang, während ihr Conan langen Schrittes und mühelos trotz seiner Last folgte. Wachsam hielt er Ausschau nach lauernden schwarzen Gestalten in den engen Gassen und Torbogen, aber er sah nichts Verdächtiges. Zweifellos saßen alle Darfari wartend um die Röstgrube. Das Mädchen bog in eine schmale Seitenstraße ein und klopfte leise an eine Tür.
Fast sofort öffnete sich ein Fensterchen, und ein schwarzes Gesicht blickte heraus. Sie beugte sich näher heran und wisperte hastig. Riegel knarrten in ihren Halterungen, und die Tür schwang auf. Ein riesenhafter Schwarzer hob sich vor dem weichen Lichtschein einer Kupferlampe ab. Ein schneller Blick verriet Conan, daß es kein Darfari war. Seine Zähne waren nicht spitz zugefeilt, und sein Kraushaar war kurzgeschnitten. Er war vermutlich ein Wadai.
Auf einen Wink Zabibis hob Conan den bewußtlosen Alafdhal auf des Schwarzen Arme, der ihn auf einen Samtdiwan legte. Es sah nicht so aus, als würde er bald wieder zu sich kommen. Der Schlag, der ihn ausgeschaltet hatte, hätte einen Ochsen gefällt. Zabibi beugte sich über ihn und zupfte nervös an ihren Fingern, dann richtete sie sich auf und bedeutete dem Cimmerier, mit ihr zu kommen.
Das Tor schloß sich hinter ihnen, der Riegel wurde vorgeschoben, und das Fensterchen, das gleich darauf wieder geschlossen wurde, verbarg den Lampenschein. Auf der sternenbeschienenen Straße griff Zabibi nach Conans Hand. Ihre eigene zitterte ein wenig.
»Du wirst tun, worum ich dich bitte?« fragte sie.
Er nickte.
»Dann wollen wir zu Hanumans Tempel gehen – mögen die Götter unseren Seelen gnädig sein!«
Wie Phantome schritten sie fast lautlos durch die stillen Straßen. Beide schwiegen. Vielleicht dachte das Mädchen an ihren Liebsten, der bewußtlos auf dem Diwan unter den Kupferlampen lag, oder sie machte sich Sorgen über das, was ihnen in Hanumans Tempel bevorstand. Der Barbar dachte nur an eines: an die Frau, die so leichtfüßig neben ihm dahinhuschte. Das Parfüm ihres Seidenhaares stieg ihm in die Nase, und seine Sinne waren von ihr erfüllt.
Einmal hörten sie das Rasseln von Waffen, die beim Marschieren gegen Rüstungen schlugen, und drückten sich gleich in die Schatten eines Torbogens, um einen Trupp Pelishtier vorbeizulassen. Ihrer fünfzehn waren es, in enggeschlossener Formation, die Piken stichbereit, und die hintersten hatten Messingschilde über den Rücken gehängt, um sich gegen einen heimtückischen Messerwurf zu schützen. Die Menschenfresser stellten offenbar sogar für bewaffnete Trupps eine Bedrohung dar.
Als die Soldaten außer Sicht waren, kamen Conan und das Mädchen aus ihrem Versteck und eilten weiter. Bald darauf lag das niedrige Gebäude, das sie suchten, vor ihnen.
Hanumans Tempel stand allein in der Mitte eines breiten, menschenleeren Platzes. Eine Marmormauer mit weiter Öffnung unmittelbar vor dem Portikus umgab ihn. Diese Öffnung war weder durch eine Tür noch eine Barriere verschlossen.
»Weshalb suchen die Schwarzen hier keine Beute?« brummte Conan. »Es hindert sie doch nichts daran, den Tempel zu betreten.«
Er spürte, wie Zabibi zitterte, als sie sich enger an ihn preßte.
»Sie fürchten Totrasmek, wie alle in Zamboula ihn fürchten, selbst Jungir Khan und Nafertati. Komm! Komm schnell, ehe der Mut mich verläßt.«
Die Angst des Mädchens war unverkennbar, aber sie zauderte nicht. Conan zog sein Schwert und schritt ihr voraus durch den Torbogen. Er kannte die entsetzlichen Überraschungen der Priester des
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