Conan-Saga 10 - Conan der Wanderer
Licht ähnlicher Räucherschalen wie im Tempel sehen konnte. Der goldene Riegel der Tür fühlte sich warm an. Doch nur einem Mann, dessen Sinne denen eines Wolfes nahekamen, wäre dies aufgefallen. Der Riegel war demnach vor nur wenigen Herzschlägen berührt, also geöffnet worden. Das Ganze nahm immer mehr die Form einer Falle mit frischem Köder an. Er hätte sich von vornherein denken können, daß Totrasmek sofort erführe, wenn jemand in den Tempel eindrang.
Betrat er den Korridor, würde er zweifellos geradewegs in die Falle geraten. Trotzdem zögerte Conan nicht. Irgendwo in diesen Gemächern wurde Zabibi gefangengehalten, und nach allem, was er über die Hanumanpriester wußte, brauchte sie dringend Hilfe. Mit der Wachsamkeit und Sprungbereitschaft eine Panthers schlich Conan in den Korridor.
Zu seiner Linken befanden sich mehrere Elfenbeintüren. Er versuchte, sie der Reihe nach zu öffnen. Sie waren alle verschlossen. Nachdem er etwa fünfundsiebzig Fuß weit gekommen war, bog der Gang scharf nach links ab und beschrieb den Hufeisenbogen. Auch hier befand sich eine Tür, und sie ließ sich öffnen. Sie führte in ein breites quadratisches Gemach, das etwas heller als der Korridor beleuchtet war. Die Wände bestanden aus weißem Marmor, der Boden aus Elfenbein, die Decke war mit Silberfiligran überzogen. Conan sah Diwane, mit kostbarem Satin bedeckt, mit Gold verzierte Elfenbeinschemel, einen runden Tisch aus schwerem metallähnlichem Material. Auf einem der Diwane lag ein Mann, die Augen der Tür zugewandt. Er lachte über den verdutzten Blick des Cimmeriers.
Von einem Lendenschurz und hochgeschnürten Sandalen abgesehen, war der braunhäutige Mann nackt. Sein schwarzes Haar war sehr kurz geschnitten, und die dunklen Augen in dem breiten arroganten Gesicht wirkten ruhelos. Er war von titanischer Statur, mit ungeheuren Muskeln, die sich bei jeder Bewegung wie Schlangen wanden. Seine Hände waren die größten, die Conan je gesehen hatte. Und er war sichtlich von seinen Körperkräften und seiner Unschlagbarkeit überzeugt.
»Warum kommst du nicht herein, Barbar?« erkundigte er sich spöttisch und machte eine übertrieben einladende Geste.
Conans Augen schwelten unheildrohend. Er trat wachsam in das Gemach, das blanke Schwert in der Hand.
»Wer, zum Teufel, bist du?« fragte er.
»Ich bin Baal-pteor«, antwortete der Riese. »Vor langer Zeit, in einem anderen Land, kannte man mich unter einem anderen Namen. Aber Baal-pteor ist ein guter Name, und weshalb Totrasmek ihn mir gab, kann dir jede Tempeldienerin sagen.«
»Du bist also sein Wachhund!« knurrte Conan. »Verflucht sei dein braunes Fell, Baal-pteor. Wo ist das Mädchen, das du durch die Wand gezogen hast?«
»Mein Herr vergnügt sich mit ihr«, erwiderte der Riese lachend. »Hörst du?«
Hinter einer zweiten Tür war ein gedämpfter Schrei – der einer Frau – zu hören.
»Verdammt!« fluchte Conan und machte einen Schritt auf die Tür zu. Dann wirbelte er mit kribbelnder Haut herum. Baal-pteor lachte. Die Drohung, die aus diesem Lachen klang, stellte des Cimmeriers Nackenhärchen auf, und er sah rot vor Wut.
Die Knöchel seiner Schwerthand zeichneten sich weiß ab, als er auf den Riesen zustapfte. Mit einer schnellen Bewegung seiner braunen Pranke warf der Bursche ihm etwas zu – eine glänzende Kristallkugel, die in dem gespenstischen Licht glitzerte.
Instinktiv duckte sich Conan, aber wie durch ein Wunder hielt die Kugel mitten in der Luft an, ein paar Fuß von seinem Gesicht entfernt. Wie von unsichtbaren Fäden gehalten, blieb sie gut fünf Fuß über dem Boden hängen. Während der Cimmerier sie verblüfft betrachtete, begann sie sich mit wachsender Geschwindigkeit zu drehen. Und während sie sich drehte, schien sie größer und nebelhaft zu werden, bis sie scheinbar den ganzen Raum ausfüllte und ihn umhüllte. Die Zimmereinrichtung, das spöttische Gesicht Baal-pteors, die Wände – alles verschwand. Conan war in einem bläulichen Wirbel gefangen. Ein gewaltiger Sturm heulte an ihm vorbei, zerrte an ihm, versuchte, ihn von den Füßen zu reißen und in einen Strudel zu ziehen.
Mit einem würgenden Schrei schwankte Conan rückwärts, taumelte, bis er die feste Wand in seinem Rücken spürte. Bei dieser Berührung hörte die Illusion auf. Die riesige wirbelnde Kugel löste sich auf wie eine Seifenblase. Conan richtete sich hoch auf, während graue Dunstschwaden sich um seine Beine kräuselten, und er sah, wie Baal-pteor sich
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