Conan-Saga 22 - Conan der Verteidiger
Tiger, den sie streicheln wollten.
Conan hörte ihr Lob nicht. In dem Augenblick, als Vegentius flüchtig im Schatten der Arkade gestanden hatte, war ihm eingefallen, wo er ihn schon einmal gesehen hatte. Er bahnte sich einen Weg durch die Soldaten und Edlen, die ihn hochleben ließen, griff nach seinem Wams und kehrte zu Hordo zurück.
»Erinnerst du dich«, fragte er den Einäugigen leise, »was ich dir von meiner ersten Begegnung mit Taras erzählte, als ich durch das Dach fiel und mitten in seine Geheimbesprechung platzte? Daß da ein ziemlich großer Mann im Schatten der Wand gestanden hatte?«
Hordo schaute zu Vegentius, der jetzt von seinen Soldaten hochgehoben wurde, während die Edlen weiterspazierten. »Er?« fragte er ungläubig.
Conan nickte, und der Einäugige pfiff durch die Zähne.
»Cimmerier, ich sage dir nochmal: Wir sollten nach Ophir reiten, so schnell unsere Kompanie aufbruchsbereit ist.«
»Nein, Hordo.« Conans Augen blitzten immer noch eisig, und seine Miene erinnerte an einen jagenden Wolf. »Jetzt sind wir dem Feind auf der Spur, und es ist Zeit anzugreifen, nicht davonzulaufen.«
»Mitra!« fluchte Hordo atemlos. »Wenn ich durch deine Narretei den Tod finde, werde ich dir als Geist keine Ruhe mehr lassen. Angreifen, sagst du?«
Ehe Conan antworten konnte, machte eine Sklavin einen Knicks vor ihm. »Ich soll Euch bitten, in aller Eile zu König Garian zu kommen.«
Der Einäugige erstarrte.
»Beruhige dich«, mahnte ihn Conan. »Wäre der König auf meinen Kopf aus, würde er kein hübsches Mädchen schicken, um mich holen zu lassen.« Die Sklavin horchte interessiert auf.
»Ich traue niemandem«, knurrte Hordo, »bis wir genau wissen, wer auf deinen Tod aus ist. Oder bis wir Nemedien weit hinter uns haben.«
»Ich lasse es dich schon wissen, wann es Zeit ist, zur Grenze zu reiten.« Conan lachte. »Zeige mir den Weg, Mädchen.« Die Sklavin rannte voraus, und der Cimmerier folgte ihr.
König Garian wartete in einem Gemach, an dessen Wänden Waffen und Jagdtrophäen hingen, aber seine Gedanken beschäftigten sich sicherlich nicht mit der Jagd. Schriftrollen und Pergamentblätter lagen auf den verschiedenen Tischchen und sogar auf dem Boden. Als Conan eintrat, warf der König verärgert eine Schriftrolle durch den Raum. Die Schramme an seiner Wange hob sich gegen das im Augenblick tiefe Rot seines Gesichts ab.
»Wünscht Euch nie, König zu sein, Conan«, waren seine ersten Worte.
Verblüfft fragte Conan: »Warum nicht?«
Garians Miene verzog sich voll Abscheu, als er mit weitausholender Geste auf die überall verstreuten Schriftsachen deutete. »Ihr glaubt doch nicht etwa, das seien Pläne für eine große Schlacht? Oder für eine beeindruckende Zeremonie zum Gedenken an meinen Vater. Meint Ihr das?«
Conan schüttelte den Kopf. Mehr als einmal war sein Leben durch die Pläne des einen oder anderen Königs geändert worden, doch er selbst hatte bei diesen Plänen nie etwas zu sagen gehabt. Er blickte auf ein Pergament, das unmittelbar vor seinen Füßen lag. Es war mit Zahlenreihen fast ganz bedeckt.
Garian stapfte durch das Zimmer, hob Schriftrollen von den Tischen und warf sie auf den Boden. »Die Kanalisation der Stadt muß gereinigt werden, sonst führen die von ihr aufsteigenden Dämpfe zu Seuchen – das behauptet jedenfalls die Gilde der Heiler. Es wird empfohlen, die alten Gänge unter dem Palast zu finden und aufzufüllen, um den Palast sicherer zu machen. Ein Teil der Stadtmauer muß erneuert werden. Die Bezahlung des Armeesolds ist überfällig. Getreide muß gekauft werden. Immer wieder Getreide.« Er blickte düster auf ein gewaltiges Hirschgeweih an der Wand. »Ihn habe ich an der brythunischen Grenze erlegt, in der Wildnis. Wie sehr ich mir wünsche, ich wäre jetzt dort.«
»Können Eure Ratgeber Euch denn nicht diese Sachen abnehmen?« fragte Conan.
Der König lachte bitter. »Das könnten sie, mangelte es nicht an Gold. Conan, ich muß dafür arbeiten wie ein habgieriger Krämer.«
»Die Schatzkammer ...«
»... ist so gut wie leer. Je mehr Getreide ich in Ophir und Aquilonien kaufen muß, desto höher steigen die Preise, und ich muß immerhin eine volle ausgefallene Ernte ersetzen. Und immer wieder überfallen Räuber ganze Wagenzüge, wenn sie nicht unter Armeeschutz stehen – und viele, die von Soldaten begleitet werden –, und verbrennen die gesamte Ladung. Ich habe bereits goldene Ziergegenstände einschmelzen lassen, aber selbst wenn ich alle
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