Conan-Saga 32 - Conan der Champion
solchen Anlage herauszufinden. »Wir müssen näher ran«, erklärte er. »Die Luft ist zu dick, um Einzelheiten sehen zu können. Und meist sind es kleine Stellen, durch die man in solche Festungen hineinkommt. Bist du sicher, daß Alcuina da drinnen ist?«
»Ich bin sicher. Du spürst es vielleicht nicht; aber dieser Ort strahlt eine Aura des Bösen und der Zauberei aus, die mir bis ins Mark dringt.«
»Was für Leute wohnen dort?« fragte Conan. »Das Schloß sieht aus, als sei es von Giganten gebaut worden.«
»Das ist gut möglich. Im Dämonenland leben viele verschiedene Völkerschaften. Früher gab es noch mehr. Manche waren Riesen. Das Schloß war vielleicht das Heim dieser Riesen aus grauer Vorzeit. Ich glaube aber, daß die Leute, die jetzt dort wohnen, mehr wie wir aussehen. Zumindest äußerlich. Im Innern sind sie ebenso unmenschlich wie die Dämonen, die wir getroffen haben.«
»Sind sie sterblich?« erkundigte sich der Cimmerier. »Kann Stahl sie zerstückeln?«
»Ich glaube schon. Kein Bewohner dieser Welt ist wirklich unsterblich. Manche sind nur schwer umzubringen, wie das Skorpionungeheuer gezeigt hat.«
Ruhelos spähte Conan umher. »Was essen die Leute da oben? Ich sehe keine bebauten Äcker, keine Dörfer oder andere Zeichen für Handel. Jeder Räuberhauptmann hat bei seinem Schlupfwinkel ein paar Bauern.«
»Hier folgt das Leben nicht dem gleichen Rhythmus wie in der Menschenwelt«, erklärte Rerin geduldig. »Die Bewohner dieses Schlosses zerbrechen sich bestimmt nicht den Kopf darüber, wie sie ihr täglich Brot bekommen. Vielleicht stillen sie die leiblichen Bedürfnisse mit Hilfe ihrer dunklen Zauberkünste. Es ist aber auch möglich, daß sie Vampire sind und sich vom Blut menschlicher Opfer ernähren.«
»Wie auch immer«, erklärte Conan, »wenn sie sich hinter so dicken Mauern verkriechen, müssen sie vor irgend etwas Angst haben. Wenn sie Angst haben, sind sie verwundbar. Aber das können wir erst aus der Nähe feststellen. Komm!«
Die Nacht war schon hereingebrochen, als sie am Fuß der Zyklopenmauern ankamen. Seltsame, bunte Sterne schimmerten über ihnen. Der große grüne Mond schickte seine unheilverheißenden Strahlen durch die dicke, wasserähnliche Luft. Conan strich mit den Händen über die Mauer und suchte nach Fugen oder Spalten zwischen den Blöcken, die er zum Hinaufklettern benutzen konnte.
»Crom!« fluchte er leise. »Alles aus einem Stück! Nirgendwo Fugen!«
»Diese Mauern wurden mit Hilfe der Magie, nicht von Menschenhand errichtet«, sagte Rerin. »Ich kenne einen Zauberspruch, der uns auf die Mauerkrone tragen kann; aber die Bewohner würden merken, daß ein fremder Magier so nahe am Werke ist.«
»Ich brauche keine Zauberei, um eine Mauer raufzuklettern«, sagte Conan. »Das ist eine Mauer aus Stein, rauh und körnig wie Lava. Wenn sie bis oben so ist, kann ich hinaufklettern.«
Rerin strich über die Mauer und schüttelte zweifelnd den Kopf. »Nur einer, der zur Hälfte ein Affe und zur anderen Hälfte eine Bergziege ist, kann da hinaufklettern. Ich fürchte, daß ich es nicht schaffe. Wenn wir ein Seil hätten, könntest du mich von oben hinaufziehen. Aber so muß ich hier bleiben und warten, bis du eins findest.«
»Es ist sowieso besser, wenn du hier bleibst. Versteck dich irgendwo am Waldrand, bis ich mit der Königin komme. Wenn die Leute im Schloß sich so gut auf Zauberei verstehen, wie du gesagt hast, nützt du mir auch nicht viel. Dann wäre es sinnlos, wenn wir beide stürben, falls mein Plan scheitert. Sollte ich bei Tagesanbruch nicht zurücksein, kannst du versuchen, was du mit deiner Kunst erreichst, nachdem ich mit dem Schwert gescheitert bin.«
»Möge Ymir dir beistehen, Conan!« sagte der alte Mann bewegt. »Ich wiederhole es, die Königin tat wohl, dich in ihre Dienst zu nehmen.«
Conan kratzte sich am Kinn. »Ich bin nicht sicher, ob Ymir da drinnen nach dem rechten schaut. Crom tut das bestimmt nicht. Der kümmert sich nie um Dinge, die außerhalb Cimmeriens geschehen, und wenig genug um die im Lande.« Er schlug Rerin auf die Schulter. »Nun geh schon, Alter, und such dir ein sicheres Versteck. Halte dich bereit, uns zu helfen, wenn wir herunterkommen. Ich bin nämlich ganz sicher, daß uns dann einige verfolgen werden.«
Conan wandte sich wieder der Mauer zu. Er streckte die Arme aus und fühlte nach winzigen Vorsprüngen und Vertiefungen, in denen er Halt finden konnte. Langsam und überaus mühselig zog er sich hoch.
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