Conan-Saga 39 - Conan der Kriegsherr
Trinkschale gierig mit einem Schluck. Dann betrachtete er Conan ausgesprochen boshaft.
»Seit der Zeit, da mein Ahnherr – der edle Einhar oder sein nichtsnutziger Erzeuger oder wer auch immer angefangen hat –, jedenfalls, als der zum ersten Mal eine Klinge in die Hand nahm und lernte, wie man Leute abschlachtet, um sich über seine Mitmenschen zu erhöhen ... von dem Tag an ist das Schwert der höchste Ausdruck unseres feinen Geschlechts. Alles beruht auf der mörderischen Kriegskunst. Immer und ewig müssen wir sie benutzen oder andere dazu bringen, sie für uns einzusetzen. Im dem Augenblick, da wir sie vergessen, setzen wir uns höchster Gefahr aus.«
Von der eigenen Rhetorik überwältigt, sprang Favian auf und nahm das Schwert vom Bett. Dann zog er es aus der Scheide und warf diese zurück auf die Decke. Er packte die Klinge in der Mitte und hielt sie vor sich. »Ist der Gedanke nicht seltsam, daß dieses grausame Stück Stahl das beste Werkzeug ist, um den Willen des Menschen durchzusetzen, das Steuer der menschlichen Geschicke? Und dieser Fleischschneider – und nur er! – steuert den Lauf des Reiches und erhält uns Einharsons unseren bescheidenen Ruhm.«
»Wirklich nur das Schwert?« unterbrach ihn Conan schnell, ehe Favian sich wieder in Kampflust hineinsteigerte. »Was ist mit eurem edlen Blut? Und den übernatürlichen Mächten, die euer Geschlecht beschützen?« Neugierig schaute er den jungen Lord an.
Dieser legte das Schwert beiseite, schenkte die Trinkschale wieder voll und setzte sie an die Lippen, ehe er antwortete.
»Übernatürliche Mächte, die uns beschützen?« Mißtrauisch beäugte er sein Gegenüber. »Was weißt du darüber?«
»Nur das, was der Baron mir erzählt hat«, antwortete Conan. »Und was man sich so im Schloß erzählt. Gerüchte.«
»Ach ja, Gerüchte scheinen in diesem Haus recht verbreitet zu sein.« Der junge Lord drehte nachdenklich die Trinkschale in den Händen. »Conan, schon bald werde ich das Alter der Initiation erreichen, da ich in die Mysterien des Erbes meiner Familie eingeführt werde. Dann finde ich vielleicht heraus, ob Einhars Fluch lediglich ein Ammenmärchen ist, mit dem man leichtgläubige Toren schreckt, oder ob wahre Macht dahintersteckt.« Er schaute den Cimmerier an. »Aber du wirst das nie erfahren – wenn du Glück hast, meine ich, und wenn du dein Amt als Leibwächter gut versiehst.«
Favian steckte den Stöpsel in die Flasche und sammelte die Trinkschalen ein. »Und jetzt, Kamerad, mache ich mich fürs Abendessen fertig, und du solltest dich auch nach unten begeben. Aber wir werden uns wieder unterhalten. Und sollte mein Vater seinen Plan durchführen, daß du meinen Platz einnimmst, hoffe ich, daß du weiterhin Glück hast.«
Conan verließ das Schlafzimmer Favians mit einem vom Wein ziemlich benebelten Kopf. Er mußte sich schwer konzentrieren, um den Weg nach unten zu finden. Selbst nachdem er sich am Tisch der Dienstboten vollgestopft hatte, war sein Kopf noch nicht klarer.
Ludya zeigte sich an diesem Abend nicht. Der Cimmerier beteiligte sich nicht an der üblichen Plauderei. Schweigend saß er da und dachte darüber nach, was er jetzt über den jungen Favian wußte: Der junge Adlige war jähzornig und launisch. Sein Charakter war ebenso kompliziert wie der des alten Barons, und vielleicht war der Sohn auch so verrückt wie der Vater. Bei dieser Analyse bedrückte ihn eine Erkenntnis, die – wie er wußte – auch Baldomer teilte: Der Sohn war tief im Innern ein Feigling!
Nach dem Essen lief Ludya kurz durchs Gewölbe, ohne aber Conan auch nur zu grüßen. Sie schien ihn gar nicht zu sehen. Das war der letzte und entscheidende Tiefschlag an diesem Tag für den noch immer ziemlich benebelten Cimmerier. Er verzog sich ins Bett und verfluchte alle zivilisierten Männer und Weiber und ihre verrückten, unberechenbaren Stimmungen und Launen.
Es war irgendwann mitten in der Nacht, als Geräusche Conan aus düsteren Träumen rissen. Schritte und unterdrücktes Schluchzen. Schnell rollte er zum Fußende des Lagers und schob den Vorhang beiseite. Der Raum war von den wenigen Kerzen nur schwach erhellt; aber er sah eine halbbekleidete Gestalt in einem der Alkoven verschwinden: Ludya!
Im nächsten Augenblick war er auf den Beinen und lief zu ihr. Dann stand er neben ihrem Bett, wo sie zusammengekrümmt lag und leise weinte. »Ludya! Was ist geschehen, Mädchen? Hast du dir weh getan?«
Ihr Schluchzen wurde lauter. Nur stockend
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