Conan-Saga 39 - Conan der Kriegsherr
viele Gäste. Als er an die Brüstung trat, schlug ihm eine Rauchwolke entgegen, denn die Räume unten wurden durch unzählige Kerzen und Öllampen erhellt. In der großen Halle saßen die Menschen dichtgedrängt an den Tischen mit purpurroten Decken. Viele Gäste strömten auch durch das Eingangsportal, um frische Luft zu schöpfen. Andere kehrten von einem Spaziergang wieder zurück. Auch auf der breiten Freitreppe saßen viele.
Die Gäste hier schienen hauptsächlich Landedelleute mit Gefolge und Kaufleute zu sein. Alle waren anscheinend aufgeregt, einen Blick auf den Glanz im Schloß des Barons zu erhaschen. Dazu aßen und tranken sie nach Herzenslust. Manche hatten schon zu tief in die Becher geschaut. Die Gäste von höherem Adel und die Wachoffiziere strebten dem Eingang zum Großen Saal zu. Von dort hörte man blecherne Trompetentöne. Wahrscheinlich hielten der Baron und seine Minister dort Hof.
Überall standen die Eisernen Wächter. Sie waren an den Wänden und auf den Treppen postiert und blickten starr geradeaus. Conan fand, daß sie beinahe so zahlreich wie die Gäste waren. Da alle in höchster Alarmbereitschaft waren, trugen sie die volle Rüstung und hatten die Hellebardenschäfte zwischen den Füßen auf dem Boden aufgepflanzt. An der Seite eines jeden hing ein Rapier. Dem Cimmerier wurde bewußt, daß der wunderbar gefertigte Schildkrötenpanzer zwar seine wichtigsten Körperteile schützte, er aber keine Angriffswaffe besaß, nicht einmal ein Messer zum Essen.
Ihm wurde jetzt auch in der stickigen Luft heiß in der Rüstung. Das Visier des Helms hatte zwar Löcher; aber Atmung und Gesichtskreis waren recht eingeschränkt. Ungeduldig schob er es nach oben. Jedoch bereute er diese vorschnelle Tat sofort; denn eine jugendliche Stimme rief ganz in seiner Nähe:
»He, Lord Favian! Habt Ihr Euch verdrücken können und seid zum harten Kern vorgedrungen?«
Die unvermeidliche Verwechslung! Conan tat so, als hätte er den Ruf nicht gehört und drehte sich in die andere Richtung. Gerade wollte er das Visier herabklappen, als ihn jemand mit kräftiger, ungepflegter Hand am Arm packte und daran hinderte.
»He, Favian, Mylord«, krähte der junge Mann, offenbar vom Land. »Was für ein Glück, daß ich Euch gefunden habe.« Conan funkelte ihn so wütend an, daß der Bursche die Hand sogleich zurückzog. Nichtsdestoweniger sprach er weiter und musterte dabei sein Gegenüber unverschämt. »Ich ... ich bin Ralfic, erinnert Ihr Euch, Sire? Wir haben uns im Herrenhaus meines Vaters ganz prächtig amüsiert. Im Süden der Stadt ... vorigen Sommer ... erinnert Ihr Euch denn nicht, Mylord?«
Der Cimmerier blickte ihn nur stumm an. Der Kerl war ungefähr so alt wie er; war aber bestimmt nicht so weit in der Welt herumgekommen und hatte auch viel weniger Kämpfe und Schlachten erlebt. Sein Gesicht war pockennarbig und das Haar augenscheinlich mit Hilfe einer Haferbreischüssel geschnitten worden. Schließlich ergab sich Favians Doppelgänger in sein Schicksal. Er antwortete dem jungen Burschen mit Nicken und einem undeutlichen Grunzen. Dabei gab sich Conan größte Mühe, die Laute tief aus dem Bauch zu holen, um ganz wie ein nemedischer Adliger zu klingen.
»Ja, Mylord, damals hatten wir doch wirklich unheimlich viel Spaß, oder?« Ralfic blickte ihn etwas verunsichert an. Dann grinste er plötzlich, wobei man seine schiefen Eckzähne sah. »Ich kann Euch keinen Vorwurf machen, Mylord, wenn Eure Erinnerung leicht trübe ist. Wenn ich an die Menge Ale denke, die wir in uns geschüttet haben. Diese Bauernhochzeiten sind immer ein rundes Fest. Vor allem wenn die Braut jung und unschuldig ist.« Er verdrehte die Augen zur Decke. »Und wenn sie vor den edlen Herren mächtigen Respekt hat.« Conan nickte und grunzte wieder. Dann schaute er umher. Der junge Bursche hatte mit seiner lauten Stimme die Aufmerksamkeit einiger anderer Gäste erregt. Mehrere kamen mit den Metbechern herübergeschlendert. Diese hatten sie von einem Diener in braunem Wams und Kilt erhalten, welcher mit hocherhobenem Tablett umherging.
Ralfic war zwar durch die drohenden Blicke Conans eingeschüchtert, wußte aber, daß irgend etwas nicht stimmte. Der in die Enge getriebene Cimmerier überlegte krampfhaft, wie er dieser peinlichen Situation entfliehen könnte. Ihm war klar, daß seine ungeschickt aufgeführte Maskerade mit einem Schlag vorbei sein würde, sobald man ihn zwang, mehrere Worte Nemedisch von sich zu geben.
»Erinnert Ihr Euch
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