Conan-Saga 39 - Conan der Kriegsherr
und gemäßigt vorzugehen. Das war noch ein Höhepunkt in der Unterhaltung des Abends.«
»Ich bin froh, daß ich das verpaßt habe ... Ich wünschte, ich hätte noch viel mehr verpaßt«, meinte Conan.
»Aber Conan! Es war ein großartiger Abend. Ehrlich, trotz aller Intrigen.« Calissa packte ihn ganz enthusiastisch an der Schulter. »Es war wie früher, als ich noch ein Kind war. Damals war das Schloß von Gärten umgeben. Ständig hatten wir fahrende Sänger und Tänzer da. Jeden Abend fand ein Fest statt. Kaufleute und Landedelleute gingen ein und aus, nicht die finsteren Soldaten wie jetzt. Damals war auch das ganze Land viel glücklicher.«
Conan überhörte absichtlich ihre abfällige Bemerkung über die Soldaten und fragte: »War das, als Lady Heldra noch lebte?«
»Ja.« Calissa nickte traurig. »Das ist schon lange her. Favian ist zu jung, um sich daran zu erinnern. Seit damals hat sich alles so verändert. Mein Vater ...« Sie führte den Satz nicht zu Ende.
»Dann war der Baron früher kein so gestrenger Herrscher?« fragte Conan.
»Nein, er war ein blonder Ritter, ein Held! Und Mutter war wie eine Sylphe. Sie schaffte es immer, ihn aus einer düsteren Stimmung zu reißen und zum Lachen zu bringen. Aber sie war kein schwaches Geschöpf. Nein, sie paßten zu einander. Die beiden ritten gemeinsam auf die Jagd und wetteiferten im Speerwerfen. Trotzdem brachte Mutter mit ihrer weiblichen Art Wärme ins Schloß und ins gesamte Reich. Ihr Tod war ein großer Verlust, ein schreckliches Verbrechen ...« Wieder machte Calissa eine Pause. »Wenn sie länger gelebt hätte, wäre ich jetzt auch eine bessere Frau.«
»Aber deine Familie besteht aus Generationen wilder Krieger und müßte doch eigentlich gegen Tod und Leiden abgehärtet sein.«
»Ja, diese alte Familiensage ist ab und zu von Nutzen, wenn man damit Bauern auf die Beine bringen will, damit sie kämpfen. Nemedien ist ein turbulentes Land, in dem die Barone oft frech und habgierig werden. Im Gegensatz zu einigen anderen Provinzen ist Dinander nicht durch hohe Berge oder tiefe Flüsse geschützt.« Sie schüttelte den Kopf. Ihre tiefroten Haare wirkten im schwachen Schimmer des Mondes beinahe schwarz. In wunderschönen Wellen fiel es ihr über die nackten Schultern. »Trotzdem würde jeder gute Landesherr lieber in Frieden leben, anstatt zu kämpfen. Aber ich fürchte, daß für meinen Vater das Erbe aus Blut und Stahl schon zu einer Zwangsvorstellung geworden ist.«
»Und dazu gehört auch die mystische Wächterfunktion der Ahnen der Einharsons?« fragte Conan.
»Ach was! Das ist doch nur dummer Aberglaube!« Calissas Augen sprühten vor Empörung unter der roten Mähne. »Ich gebe überhaupt nichts darauf und hoffe nur, daß Favian diesen Unsinn ebenfalls vergißt, wenn er einmal Baron ist. Ich kann ihm helfen, das Land weise zu regieren. Ich habe viele Ideen, wie man den Handel in der Provinz verbessern und beleben kann. Vor allem muß man die Abgaben der Pächter neu festsetzen und gerechter verteilen. Mein Vater will von diesen Dingen nichts hören, weil sie von der Tradition abweichen. Als Frau wird meine Stimme bei allen Angelegenheiten des Staats überhört. Sie wollen mich nicht einmal morgen auf die Reise durch die Provinz mitnehmen. Aber durch Favian werde ich etwas mehr Einfluß haben.«
»Und daher kriechst du nachts zu deinem Bruder ins Bett, um ihm gute Ratschläge zu erteilen?« Conan streichelte Calissa, die sich an ihn schmiegte. »Ich bin erstaunt, daß du das wagst. Soweit ich ihn bis jetzt kennengelernt habe, halte ich ihn für einen ziemlich chaotischen Burschen, dem mehr an Trinken und Weibern liegt als daran, ein guter Herrscher zu werden.«
Calissa runzelte die Stirn; aber dann nickte sie zögernd. »Ja, es stimmt, wir stehen uns nicht mehr so nahe wie früher. Je näher Favian der Volljährigkeit kommt, desto mehr gibt er sich immer wilderen Ausschweifungen hin. Und ich ebenso. Aber das ist nur, weil wir uns gegen die überstrenge Hand unseres Vaters auflehnen.« Sie setzte sich etwas auf und legte das Kinn auf die Faust, ehe sie weitersprach.
»Wenn Vater Favian nur annähme und ihm so weit Vertrauen entgegenbrächte, daß er ihm Stück für Stück ein bißchen mehr Macht übergäbe, würde mein Bruder sich sicherer fühlen. Aber Favian kann es Vater nie recht machen, ganz gleich, wie sehr er sich bemüht. Und jetzt habe ich Angst, daß er ganz aufgegeben hat.« Calissa räkelte sich wohlig unter Conans Liebkosungen.
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