Conan-Saga 39 - Conan der Kriegsherr
alles erinnern. »Damals war ich vor Haß fast wahnsinnig. Ich hatte starkes Nervenfieber. Lar quälte mich nicht mit Fragen. Er stellte auch sonst keine Forderungen an mich. Er behielt mich nur an seiner Seite und sorgte für mich – wie ein echter Freund. Wir reden meist über unwichtige Dinge: den Gesang der Vögel, die Wellen, die der Wind im Steppengras hervorbringt. Diese Kleider« – ohne zu erröten, zeigte sie darauf – »sind kostbare Geschenke von seinen Anhängern.«
»Aber was ist mit den Märschen und Belagerungen?« fragte Conan. »Dein junger Busenfreund ist ein erstaunlich guter General.« Er blickte zum Bach hinüber, wo Lar kritisch beäugte, wie seine Knechte Blut und Schmutz vom Streitwagen wuschen. »Er hat ein Zehntel Nemediens erobert. Inzwischen machen sich die Brythunier bestimmt auch schon Sorgen seinetwegen.«
Ludya zuckte mit den Schultern. »Davon weiß ich nichts. Er läßt mich im Zelt zurück, wenn er die vorderen Linien inspiziert. Befehle erteilt er wenig. Er hat auch kaum Leute, welche diese ausführen könnten. Die Menschen folgen ihm willig. Sie würden für seine Sache mit Freuden ihr Leben opfern.«
»Ja, wegen der schwarzen Macht der Zauberei!« Conan schaute ihr ernst ins Gesicht. »Verschließ nicht die Augen, Ludya! Du weißt doch, daß hier eine viel größere Macht als der kleine Lar am Werk ist – sie ist so alt und so böse wie der Schlangengott persönlich.« Er verzog angeekelt das Gesicht. »Lars Anhänger werden zu Wesen, die weit unter den Menschen stehen. Sie tragen die Schandmale des Bösen ...«
»Ich weiß nur, daß er die seltsame Macht hat, die Menschen zu verwandeln«, gab Ludya zu und nickte. »Ich glaube, daß er mich nur aus einer Laune heraus als Mensch weiterleben läßt.«
»Wahrscheinlich bist du die einzige, die sich ihm freiwillig angeschlossen hat und nicht durch einen zauberischen Schlangenbiß dazu gebracht wurde.« Der Cimmerier suchte in ihrem Gesicht nach Zustimmung. »Siehst du jetzt, Ludya, daß er nicht der strahlende Retter ist? Er ist ein übler Sklavenhändler.«
»Na und? Wer ist das nicht?« fragte Ludya empört. Ihre Augen funkelten wieder so wütend wie früher. »Welcher Führer in diesem riesigen Gefängnis Nemedien herrscht nicht über armselige Sklaven? Ach was, in ganz Hyborien! Welcher Ehemann erniedrigt nicht seine Frau? Welcher Junker gewährt seinen Leibeigenen mehr freien Willen als das Aussuchen von Sklaven?« Sie schüttelte die dunklen Locken. Ihr Mund war zu einem zynischen Lächeln verzogen. »Welcher Baron, Mylord Conan, zeigt die Liebe zu seinen Untertanen anders, als daß er ihnen die Gliedmaßen abschneidet oder sie aufschlitzt?« Sie ballte wütend die Fäuste. »Zumindest glauben Lars Anhänger, daß sie glücklich sind! Zumindest sind sie darüber hinweg, daß alle ihre Hoffnungen enttäuscht werden und daß ihre Würde mit Füßen getreten wird!«
Im nächsten Augenblick warf sie sich dem überraschten Cimmerier in die Arme und barg das tränenüberströmte Gesicht an seiner Rüstung. Dann schluchzte sie herzzereißend.
»Na, schon gut, Liebste. Es muß ja nicht immer so bleiben«, sprach ihr Conan Trost zu. Dann schaute er zu Lar hinüber. Der Junge stand am Bach und hatte offensichtlich keine Ahnung, welch heiße Tränenfluten hinter seinem Rücken flossen. »Die Lage in Dinander hat sich verändert«, fuhr Conan fort. »Jetzt besteht dort die Möglichkeit, daß alles besser wird. Du kannst mit mir zurückkehren.«
Ludya hob das gerötete Gesicht. »Ich weiß nicht, ob ich mitkomme. Ich habe hier bei Lar einen Platz gefunden ...« Dann klammerte sie sich wieder an den Cimmerier. »Aber du mußt dich vor ihm in acht nehmen, Conan. Er kann dich mit einer einzigen Berührung töten. Ich habe gesehen, wie man böse alte Schamanen und Hexen als Gefangene vor ihn brachte. Er wirft etwas in ihr Gesicht, dann sagen sie ihm etwas ... und dann sterben sie. Aber, Vorsicht! Da kommt er!«
Conan blickte über das weit herabgebrannte Feuer hinweg. Die beiden Leibwächter zogen den Streitwagen, auf dem Lar stolz saß. Ludya holte ein Holzkästchen heraus und erneuerte schnell die Schminke. Conan nahm sich eine getrocknete Wurst aus der Vorratstruhe und steckte sie in den Mund. Das Kauen tat im Kopf scheußlich weh. Ansonsten peinigten ihn die Wunden nicht mehr über Gebühr. Kurz ehe der Wagen bei ihm war, griff er zum Weinschlauch und nahm einen kräftigen Schluck. Die Leibwächter legten Reisig auf, um das
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