Conan-Saga 47 - Conan das Schlitzohr
»Aber das stimmt nicht.«
In diesem Moment öffnete sich die Tür. Conan schob den Jungen vor sich her und ging hinein. Ein Mann sprang auf. Conan drückte dem Jungen das Knie in den Rücken. Die Klingen befanden sich unmittelbar unter seinem Kinn.
»Der Junge ist zu jung für solch gefährliche Spielsachen«, erklärte er und warf die beiden Schwerter dem Mann vor die Füße. Der Junge saß in einer Ecke und hielt sich den Kopf, der unsanft mit der Wand zusammengestoßen war.
Der Mann vor Conan war gewaltig, nicht sehr groß, aber enorm fett. Bombas war ein mächtiger Fleischkloß, aber dieser Mann war ein Fettberg, der nur aus übereinanderliegenden Ringen gebaut zu sein schien. Sein unförmiger Körper ruhte auf viel zu kleinen Füßen. Dadurch schien er durch den Raum zu schweben. Seine Gewänder waren überaus kostbar, ebenso die vielen Juwelen. Sein Gesicht war rosig und pausbackig wie das eines Säuglings. Doch seine Augen waren hart und scharf wie Schwerter. Er trat zu dem Burschen und betrachtete ihn mitleidig.
»Gilmay, Gilmay«, sagte er und seufzte. »Was soll ich bloß mit dir anfangen? Meine Anweisungen waren doch ganz einfach. Ich habe gesagt: ›Gilmay, bitte – mit allem Respekt – diesen Herrn aus Cimmerien zu mir, damit ich mit ihm das Brot brechen und plaudern kann.‹ Und du? Hast du dich an meine Worte gehalten? Nein. Statt dessen versuchst du, es mit einem erfahrenen Kämpfer aufzunehmen. Schlichte Höflichkeit reicht dir nicht, du mußt mit Schwertern spielen. Nun, dieser edle Herr hat dich gestraft. Du solltest dankbar sein, daß er dir dabei nicht weh getan hat. Und nun, Gilmay, entschuldige dich bei diesem Herrn.«
Der Junge schaute auf. Er kochte vor Wut, aber die Augen des Fettwanstes schüchterten ihn ein. Er verneigte sich vor Conan. »Ich bitte dich um Verzeihung, Herr.«
Conan war über diese seltsame Vorführung verblüfft. »Du hast gelitten, nicht ich.«
»Und da dem so ist«, erklärte der Fette, »laßt uns alle Freunde sein und wie kultivierte Menschen gemeinsam zu Abend essen.«
»Ich bin kein kultivierter Mann«, entgegnete Conan.
»Aber du verfügst über die wahre, innere ... spirituelle Kultur und Herzensgüte«, erklärte der Fette. »Ich kann dir gar nicht sagen, mein Freund, wie sehr ich einen Mann bewundere, der nicht nur die Kraft und den Mut zum Erobern hat, sondern diese Eigenschaften mit Mitleid und klugem Urteilsvermögen paart, der weiß, wann die Dosis Kraft ausreichend ist und keine Gewalt mehr ausgeübt werden muß. Das bewundere ich abgrundtief, mein Lieber. In der Tat.«
Der Cimmerier ließ sich von diesem Wortschwall gelassen berieseln. »Komm zum entscheidenden Punkt!«
»Der Punkt? Aber, mein Teuerster, ist ein Mahl nicht der wichtigste Punkt menschlichen Lebens? Wäre ein Tag ohne Abendessen nicht unvollständig und damit nutzlos verstrichen? Laßt uns daher jetzt essen, mein Lieber, und anschließend über andere Dinge sprechen.«
»Ein Bissen wäre nicht unangebracht«, meinte Conan.
»Gilmay, teil unserem Wirt mit, daß wir auf der Stelle speisen wollen.«
Der Fette wandte sich an Conan. »Und nun, mein Freund, da die Luft zwischen uns geklärt ist, jedwede Feindlichkeit beseitigt und alles in eitler Harmonie ist, bitte ich dich, Platz zu nehmen und mir zu gestatten, dir einen Becher dieses köstlichen Weins aus Poitain zu kredenzen, der seit vielen Jahren bereits in den Gewölben ruhte, ehe dein oder mein Kindergeschrei an die Ohren unserer lieben Eltern drang. Es ist ein vollmundiger Altuga Roter, dessen Trauben an den Südhängen dieser Provinz wachsen, erst voll ausgereift von kräftigen Burschen gelesen und von den wohlgeformten Beinen der schönsten Bauernmädchen dieses glücklichen Landstrichs zerstampft werden. Obgleich diese Füße längst zu Staub zerfallen sind, währt ihre Schönheit in diesem köstlichen Jahrgang fort.« Er schenkte zwei Becher ein und reichte einen dem Cimmerier. Conan wartete, bis der Fette ausgetrunken hatte, ehe er trank. Der Wein ist tatsächlich köstlich, dachte er, auch ohne das geschwollene Gerede. Er streckte den Becher aus und ließ sich nachschenken.
»Und nun, mein Freund«, sagte der Fette. »Ich weiß, daß du Conan heißt und ein Cimmerier bist.«
»Da hast du mir einige Kenntnisse voraus«, meinte Conan.
»Dann laß uns das sofort verbessern. Der nichtswürdige Diener, welcher vor dir steht und dir seine Gastfreundschaft anbietet, ist Casperus, Gelehrter und minderwertiger – ich
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