Conan-Saga 47 - Conan das Schlitzohr
sich aber die Beute nicht mehr, sondern zerfleischen sich gegenseitig.« Sie blickte zu dem Hünen aus Cimmerien auf. »Doch du bist anders. Obwohl du ein Mann der Gewalt und des Blutvergießens bist, gleichst du nicht diesem hirnlosen Rudel Wölfe. Du bist gleichsam der Löwe unter den Hyänen.«
»Ich bin wie sie, Priesterin. Ich kann nur besser kämpfen.«
»Ich glaube, daß es mehr ist als das. Diene mir weiterhin treu. Vielleicht bist du für Höheres bestimmt.« Die Jüngerinnen kamen mit Eimern und Lappen durchs Fenster geklettert.
»Ich muß die Mädchen beaufsichtigen«, erklärte Oppia. »Unsere Jünger haben zwar den wahren Glauben, sie sind jedoch nicht fähig, so einfache Dinge ohne Aufsicht zu erledigen, wie Blut aufzuwischen oder Leichen zu beseitigen.« Sie machte eine Pause. »Du hattest recht, Conan. Morgen lasse ich dir das Zimmer gegenüber von Amata herrichten.«
Der Cimmerier nickte zufrieden. »Gut, Priesterin. Ich bin sicher, daß ich dann mehr erreiche.« Er blickte zum vergitterten Fenster des Mädchens hinauf und fragte sich, ob es von den Ereignissen der Nacht etwas mitbekommen hatte.
12. K APITEL
Der Dämon und der Fluch
Es war ein stürmischer Tag. Windböen jagten Regen über den Platz. Conan trug seinen Umhang, als er den Tempel verließ, und hatte wegen des schlechten Wetters die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Nur die Größe und sein raubtierartiger, federnder Schritt verrieten den Cimmerier. Allerdings war er nicht der einzige Mann in Sicas, der ein solcher Hüne war.
Conan wußte, daß in der Stadt die Dinge kurz vor dem Bersten standen und daß er nicht viel ausrichten konnte, wenn er sich im Tempel verkroch. Er mußte wissen, was sich in Sicas tat. Deshalb lenkte er seine Schritte in die Grube. Dort gab es mehrere Plätze, wo sein Erscheinen nicht zu sofortigem Gewaltausbruch führen würde.
Dicht hinter der Stelle, wo die alte Stadtmauer gestanden hatte, befand sich die Schenke Bär und Harfe. Angeblich sollten dort viele Geschichtenerzähler und fahrende Sänger auftreten. Diese Menschen verdienten ihren Lebensunterhalt damit, daß sie über alles Bescheid wußten, was geschah. Conan hielt diese Schenke für den besten Platz, um alles zu erfahren.
Als er den Schankraum betrat, trug eine Frau gerade ein neues Gedicht des tarantischen Poeten Caprio vor. Alle in Aquilonien wußten, daß Caprio nur vorgab, verrückt zu sein, damit er ungestraft seine Zoten zum besten geben konnte, in denen er viele hochgestellte Personen im Königreich in den Schmutz zog. Es war eine alte Tradition, daß geistesgestörte Dichter unter dem besonderen Schutz der Götter standen. Deshalb unternahm die Obrigkeit nichts gegen Caprio, obgleich er in ihren Augen den vielfachen Tod verdiente.
Der Cimmerier legte seinen Umhang ab, schüttelte ihn aus und hängte ihn auf einen Pflock. Alle Gäste blickten jetzt auf ihn, und nicht mehr auf die Sängerin. Alle waren bewaffnet, was in diesen Zeiten ratsam war. Aber die meisten von ihnen waren nicht die Söldner und Verbrecher, die Sicas bevölkerten. Conan sah zwei oder drei, deren Rüstung oder verschlagene Blicke verrieten, daß sie zu den rauheren Burschen gehörten. Aber auch sie waren wohl eher hier, um sich zu zerstreuen.
Conan trat zum Tresen und bestellte warmes Ale. Der Wirt nahm einen Humpen vom Feuer. Während Conan aus dem geteerten Lederhumpen trank, nahm ein Geschichtenerzähler den Platz der Sängerin ein. Der Alte berichtete von aufregenden Ereignissen in den entlegenen Provinzen. Anscheinend brach Aquilonien auseinander, weil die Feudalherren König Numedides nicht mehr ertragen wollten. Sie hatten die unabhängigen alten Herrschaftsbereiche wieder eingeführt und weigerten sich, den jährlichen Tribut nach Tarantia zu schicken. Einige widersetzten sich ganz offen dem König, andere nur verstohlen. Lediglich die Grenzprovinzen Bossonien und Gunderland hielten der Krone die Treue. Obwohl diese beiden Provinzen nicht allzu dicht bevölkert waren, stellten sie die besten Kämpfer des Reichs.
Conan hörte aufmerksam zu. Bald war er in Sicas fertig. Einem Berufssoldaten klang ein bevorstehender Bürgerkrieg wie herrlichste Musik in den Ohren. In Ophir währten die Wirren schon seit Jahren. Das Land war ein abgenagter Kadaver. Aquilonien war unvergleichlich reicher, und dort herrschte seit Jahrzehnten Friede. Die Beute, die bei der Plünderung einer Stadt wie Tarantia zu ergattern war, war kaum vorstellbar. Und das war
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