Conan-Saga 48 - Conan der Jäger
Als er sich anschickte, die Vordertür einzutreten, spürte er einen schwachen Luftzug am Bein, der aus einem Spalt in dem Holzboden kam.
Er schob ein Faß beiseite und sah eine Falltür, die geschickt im Boden verborgen war. Sie mußte nach draußen führen, sonst hätte er nicht den Luftzug verspürt. Er schob das Schwert in den Spalt und hebelte so die Tür auf. Primitive Leitersprossen führten an der Wand nach unten in eine schwarze Tiefe, aber die Luft war frisch, nicht abgestanden und muffig. Es roch schwach nach Kanalisation.
Der Cimmerier konnte nicht mehr lange überlegen, ob er dort hinunterklettern sollte, denn jetzt rüttelten die Wachen schon an der Vordertür. Er hörte auch, wie Soldaten von hinten über die Fässer kletterten. Schnell zog er ein Faß heran, kletterte in das Loch und schloß die Falltür. Ein dicker Eisenriegel verhinderte, daß die Tür von oben geöffnet wurde. Schnell schob er ihn vor. Dann mußte er seine Augen an die Dunkelheit gewöhnen.
Von unten drang ein schwacher Lichtschein zu ihm herauf. Er probierte jede Sprosse sorgfältig, ehe er sein ganzes Gewicht darauf verlagerte. Langsam kletterte er den engen Schacht hinunter. Die Falltür war offenbar seit Jahren nicht mehr zum Abstieg benutzt worden, denn überall hingen dicke Spinnweben. Die achtbeinigen Bewohner dieser Netze krabbelten aufgeregt vor dem menschlichen Eindringling davon. Endlich erreichte er die Sohle des Schachts. Von hier aus führte ein Gang zur Kanalisation der Stadt. Der Lichtschein, den er von oben gesehen hatte, fiel durch ein verrostetes Gitter auf der Straße über seinem Kopf. Jetzt roch er auch die Kloake in den weiter entfernt liegenden Kanälen und konnte auch das Fiepsen der Ratten hören. Dieser Teil war offenbar seit ewigen Zeiten nicht betreten worden. Er spürte ein Kribbeln im Nacken. Angewidert wischte er die Spinnen weg, die über seinen Oberkörper liefen und ihn bissen. Das zwickte ihn, war aber eher lästig als gefährlich.
Conan wollte diesem ekligen Ungeziefer möglichst schnell entkommen und marschierte auf seinen Orientierungssinn vertrauend, los. Er hoffte bis zu den Kanälen unter dem Palast vorzudringen. Falls die Wachen ihn verfolgten, würde er sie in diesem unterirdischen Labyrinth leicht abschütteln können. Doch bis jetzt hatte er sie noch nicht gehört.
Der Kampf hatte ihn beschwingt und in Hochstimmung versetzt. Hoffnungsvoll marschierte der Cimmerier durch die alten Tunnel unter der Stadt.
4. K APITEL
König Eldran
König Eldran wischte sich den Schweiß von der bleichen Stirn und blickte in den Spiegel, der an der Wand seines einfach eingerichteten Schlafgemachs hing. Was er sah, mißfiel ihm ganz und gar. An diesem Morgen sah man seiner gefurchten Stirn und dem hageren Gesicht jedes seiner fünfundvierzig Jahre an. Gestern abend hatte er die ersten Anzeichen einer möglichen Krankheit verspürt. Als Vorsichtsmaßnahme hatte er sich zur Stärkung einen kezankischen Kräutertrank gemischt und getrunken, ehe er zu Bett ging. Jetzt fühlte er sich jedoch eindeutig noch elender als gestern.
Er hätte vermutet, daß jemand ihn vielleicht vergiftet hätte, doch nach dem letzten Mordanschlag auf sein Leben hatte er höchstpersönlich die Zubereitung aller Speisen überwacht. Gestern abend hatte er sogar eigenhändig die Fleischsuppe zubereitet und jeder seiner Leibwächter hatte von derselben Platte gegessen. Er und seine Männer liebten einfache Speisen, die sie ihr ganzes Leben lang gegessen hatten. Der Geschmack des Königs war in der Tat auf eine schlichte Lebensweise ausgerichtet – seine Gemächer, seine Kleidung und seine Art zu regieren ließen dies immer wieder erkennen. Dieser Lebensstil hatte ihn in den Augen vieler Adliger herabgesetzt. Sie sahen in ihm einen primitiven Bauern, einen Ziegenhirten, der eine Krone trug. Doch Eldran wußte, daß seine Untertanen ihn wegen seiner Einfachheit besonders liebten. Er war kein glattzüngiger Diplomat, sondern war ehrlich und geradeheraus. Das gefiel den meisten Menschen.
In Situationen, in denen das Protokoll blumige Reden unbedingt erforderte, verließ er sich auf das Geschick Lamicis, seines Obereunuchen. Lamici diente dem Königshaus schon lange. Eldran mochte den Eunuchen nicht besonders. Für seinen Geschmack lächelte Lamici zuviel und raspelte zuviel Süßholz. Aber er hatte ihm stets treu gedient, und auch seine Familie hatte dem brythunischen Königshaus seit Generationen treu ergeben
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