Conan-Saga 52 - Conan und der Smaragd-Lotus
furchtbare Angst.
Im Traum schritt er durch bleiche Nebelwirbel über einem schwarzen Marmorboden. Im Traum hatte er das Gefühl, schon eine Ewigkeit gegangen zu sein, ohne etwas anderes als diese sanften Nebelschwaden zu sehen, die sich ohne jeglichen Windhauch drehten. Ethram-Fal dämmerte die schreckliche Gewißheit, nicht allein in diesem endlosen Nebel zu sein, sondern daß ihm etwas auflauerte, das er nicht sehen konnte. Mit dieser Gewißheit kam auch eine übermächtige Angst. Was immer sich im Nebel verbarg, der Stygier wollte ihm auf keinen Fall begegnen. Schnell wechselte Ethram-Fal die Richtung und ging nach rechts. Fast gleichzeitig spürte er wieder die Anwesenheit des Unsichtbaren. Und da verdichtete sich im Nebel vor ihm ein riesiger formloser Schemen. Angstvoll blieb er stehen. Sein Atem rasselte. Dann machte er kehrt und rannte so schnell wie möglich in die Gegenrichtung.
Ethram-Fal war im Traum kaum ein Dutzend Schritte gelaufen, als der dunkle Schemen aus dem Nebel seine Flucht aufhielt. Wieder war er vor ihm. Es war, als hätte die verzweifelte Flucht den Zauberer nur näher dorthingeführt, wo er auf keinen Fall sein wollte.
Es war das Götterbild aus Cetriss' Tempel. Der namenlose, gesichtslose Sphinx aus schwarzem Stein sprang so dicht vor den Zauberer, daß dieser sich genau zwischen den ausgestreckten Pranken befand.
Das Götterbild rührte sich nicht. Aus schwarzem Stein gemeißelt, schien es in dem nebelbedeckten Boden verwurzelt zu sein. Dennoch empfand der Stygier vor ihm größere Angst als vor irgend etwas anderem in seinem bisherigen Leben. Er spürte bis in die Knie, wie sein Herz in der Brust anschwoll. Die Schmerzen waren so unerträglich; daß er nicht einmal schreien konnte. Das Götterantlitz über ihm wurde undeutlich und verlor den Glanz. Es wurde zu einem schwarzen Portal, das in unermeßliche Leere hinausführte.
Ethram-Fal wand sich auf dem Marmorboden vor dem Gott des Cetriss. Endlich fand er seine Stimme wieder. Heiser flehte er um Gnade.
»Tribut«, flüsterte eine rauhe Stimme, die so eiskalt war wie die Abgründe zwischen den Sternen. »Opfer!«
»Ja!« schrie der Zauberer. »Ja, alles was du willst!«
»Tribut!« ertönte wieder die Stimme, leidenschaftslos wie der Wind. »Opfer!«
Ein grauenvoller Schmerz drang ins Bewußtsein des Stygiers. Im nächsten Moment war der schwarze Sphinx verschwunden. Aber er spürte ein Seil, das um seine Brust geknotet war. Jemand zog die Schlinge zu, bis das Seil schmerzhaft in die Brust schnitt. Er packte das Seil und rang nach Atem. Der Schmerz war wie ein Dolchstoß. Durch tränenverschleierte Augen hindurch blickte er nach vorn und sah Lady Zelandra, die das andere Ende des Seils hielt. Grausam ruckte sie daran, wodurch das Seil noch tiefer ins Fleisch schnitt. Ihr Gesicht war eine ausdruckslose Maske. Ethram-Fal verfluchte sie und zerrte am Seil.
»Verflucht, laß mich los! Du bist meine Sklavin! Laß mich sofort los!«
Der stygische Zauberer wachte auf. Er lag auf dem Boden seines Laboratoriums und wußte nicht, ob er laut geschrien hatte.
Er brauchte eine Zeitlang, um sich zu orientieren. Dann hob er das Gesicht vom kalten staubigen Boden. Ein Arm war ausgestreckt und der Ärmel des grauen Gewandes fast bis zur Schulter hochgeschoben. Steif setzte er sich auf und blickte umher.
Er war allein im Raum. Wie lange hatte er hier gelegen? Was hatte er getan? Irgendwie hatte er sich die Brust- und Bauchmuskeln gezerrt. Schmerzstöße durchzogen die Brust – immer wieder. Das erklärte den Traum, zumindest teilweise. Er wischte sich die Stirn ab und sah verblüfft, daß er am linken Unterarm eine Wunde hatte. Das erschreckte ihn.
Ein zwei Zoll langer Schnitt teilte das Fleisch, ganz ohne Blut, wie ein Schnitt in einer Schweineschwarte. Ethram-Fal legte die rechte Hand über die Wunde und stand entschlossen auf. Dann lehnte er sich gegen den Tisch. Sobald er sah, was darauf stand, erinnerte er sich an alles.
Auf dem Tisch stand das längliche Kästchen aus Ebenholz mit dem Smaragd-Lotusstaub. Daneben glänzte im gelblichen Lichtschein der Kugeln sein Dolch mit der seltsam geformten Klinge. Jetzt kam die Erinnerung ganz deutlich zurück. Er hatte sich in den Arm geschnitten, um den Lotusstaub ins Blut zu mengen. Aber jetzt war kein Lotus um die Wunde. Also mußte er sofort, nachdem er sich geschnitten hatte, zusammengebrochen sein.
Er hatte das Gefühl, gerade eine lange und auszehrende Krankheit überstanden zu haben.
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