Conan-Saga 52 - Conan und der Smaragd-Lotus
niedrigen Mauer umschlossen, die Conan bis zu Hüfte reichte. Es war eben. Nur Sandwirbel zeichneten seltsame Muster darauf. In der Mitte lagen Bohlen, so groß wie die Tischplatte eines Schenkentischs. Conan kniete daneben nieder. Heng Shih beobachtete, wie er ein Ohr ans rauhe Holz preßte. Schnell stand der Cimmerier wieder auf und lief neben den Khiter.
»Ein Zugang«, meinte er. »Wahrscheinlich bewacht. Schau dorthin!« Der Barbar ließ sich auf ein Knie nieder und deutete auf die fünf schwarzen Kerzen, die auf dem Dach in erkalteten Wachspfützen standen. Ihre Aufstellung bildete einen fünfzackigen Stern. Seltsame Symbole und eingeritzte Linien umgaben das große Pentagramm.
»Ich wette, daß der Stygier von hier aus sein Abbild ausschickt, um deine Herrin zu quälen«, sagte Conan.
Die Erwähnung Zelandras schickte frische Energie in Heng Shihs müden Körper. Er eilte zur niedrigen Mauer und winkte Conan, ihm zu folgen. Der Khiter umfaßte den Rand der Mauer und schaute nach unten. Die geglättete Fassade erstreckte sich ungefähr zehn Fuß bis zu den großen Säulen. Darunter sah er die hervortretenden Kapitelle. Conan entrollte das Seil an der Mitte, wo ein schmaler Riß in der Mauer zu sehen war.
»Wir lassen uns hier hinunter. Dann schwingen wir zwischen den Säulen.«
Conan machte einen dicken Knoten ins Seil und steckte dieses in den Mauerspalt. Dann ließ er das Seil nach unten fallen.
»Das sollte halten, außer unser Gewicht löst den Knoten, oder das Seil scheuert sich am Stein durch.« Der Cimmerier streckte sich wie ein fauler Tiger und gab sich betont unbesorgt und zuversichtlich. Heng Shih schluckte heftig.
»Ich gehe als erster«, erklärte der Cimmerier, stieg über die Mauer und ergriff das Seil. Dann ließ er sich behende am Seil nach unten. Sandige Windböen erfaßten ihn. Sein Körper schwang wie ein Pendel hin und her. Doch es gelang ihm, sich nahe an der reliefbedeckten Mauer zu halten. Als Conan den Fuß der Fassade erreichte, stemmte er die Stiefel gegen die Mauer und schwang frei zwischen den Säulen.
Dem Khiter lief es eiskalt über den Rücken, als das Seil gespannt blieb, aber Conan nicht wieder auftauchte. Endlich wurde das Seil schlaff und vom Wind hin- und hergepeitscht. Heng Shih fragte sich bang, ob Conan abgestürzt oder, was noch schlimmer gewesen wäre, in einem Raum mit Soldaten gelandet sei. Dann packte er das Seil und schwang sich über die Mauer.
Er glitt etwas zu schnell nach unten. Die uralten Reliefs schrammten ihm gegen Knie und Ellbogen. Dann baumelte er zwischen zwei Säulen, die zu beiden Seiten wie riesige Wächter aufragten. Der Wind drehte ihn am Seil. Hilflos schwang er hin und her. Das dunkle Rechteck eines offenen Fensters in weniger als zehn Fuß Entfernung lockte ihn. Er ruderte mit den Beinen, schwang von der Fassade fort, kletterte nach oben und erreichte mit einem Bein die Fensterbank. Gerade hatte er eine Hand vom Seil genommen, als Conan ihn mit starker Hand packte und durch das Fenster in Sicherheit zog. Heng Shih fiel in einen dunklen Raum und landete auf den geschundenen Knien. Conan stand neben ihm. Die seidene Gesichtsmaske hatte er abgelegt. Er grinste. Das Krummschwert glänzte in seiner Faust. Heng Shih erhob sich und zückte ebenfalls das Schwert. Jetzt waren er und der Cimmerier im Palast des Cetriss!
V IERUNDDREISSIG
Der Söldner stieß Neesa unsanft durch das Portal in das riesige steinerne Gemach. Wütend drehte sie sich um und funkelte den Peiniger an. Sie wehrte sich gegen die Ketten, die ihre Hände auf den Rücken fesselten. Zelandra war ebenso gefesselt. Sie taumelte gegen die Schreiberin und hatte Mühe, das Gleichgewicht wiederzufinden. Schmerz durchfuhr Neesa wie ein Lanzenstich. Wut wich Trauer. Zelandra bewegte sich wie eine Greisin.
»Ist alles in Ordnung, Milady?« fragte sie und bemühte sich, stark und furchtlos zu klingen. Weitere Soldaten drängten sich hinter den Frauen in den Raum und umringten sie.
»Du sollst still sein. Gehorche, sonst schneide ich dir die Zunge heraus«, fuhr der Stygier sie an, der sie gestoßen hatte. Dabei fuhr er mit dem Daumen vielsagend über die Klinge seines Kurzschwerts.
»Langsam, Daphrah. Der Herr will sie in einem Stück haben«, wies ihn der größte Söldner mit ruhiger Autorität zurecht.
»Erliks Fänge!« fluchte der Mann, den der andere Daphrah genannt hatte. »Dieses Weib hat bildschön einen Dolch in Teh-Harpas Kehle geworfen. Ich hoffe, der Herr
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