Conan-Saga 52 - Conan und der Smaragd-Lotus
Zelandra. Wut und Hilflosigkeit kämpften in Neesas Brust. Sie hatte das Gefühl, ihr Herz zerreiße.
Schritte waren auf dem Korridor zu hören. Die Söldner am Eingang teilten sich, um einem kleinen Mann in grauen Gewändern Platz zu machen. Der Mann war kleiner als Neesa und ging vornübergebeugt. Sein Kopf war unter der großen Kapuze verborgen. Er blieb vor den Frauen stehen und musterte sie einen Moment lang. Dann verschränkte er die Arme über der schmalen Brust.
»Ah, Zelandra«, erklang eine sanfte Stimme aus der Kapuze. Sie klang mitleidig und gleichzeitig spöttisch. »Deine Kraft, Leiden zu erdulden, ist höchst beeindruckend. Es war töricht von mir, dich zu unterschätzen. Aber du warst noch viel törichter, weil du meinen Smaragd-Lotus unterschätzt hast.«
Zelandra antwortete nicht. Sie starrte nur leer vor sich hin. Einen Arm hatte sie auf die Rippen gepreßt, die Hand lag am Gürtel an der Stelle, wo die Silberschatulle mit Smaragd-Lotus gehangen hatte.
»Ath!« rief der Zauberer gebieterisch. »Löse die Ketten der Begleiterin der Lady und binde sie auf den Altar.«
Der große Soldat gab einem Kameraden Zelandras Silberschatulle und holte einen Schlüssel unter dem glänzenden Brustharnisch hervor.
Angst überfiel Neesa. Ihr war die Kehle wie zugeschnürt. Sie ging in die Hocke und zeigte dem Hauptmann die Zähne. Dieser blieb vor ihr stehen. Sein ernstes Gesicht verriet keinerlei Gefühlsregung.
»Aber, aber«, sagte der kleine Kapuzenmann freundlich. »Sei keine Närrin. Du kannst immer noch ungeschoren davonkommen. Alles hängt von deiner Herrin ab. Wenn du dich wehrst, wird es nur schlimmer für dich. Überlege, was dir hier zustoßen könnte, falls du mein Mißfallen erregst.«
Neesa war fast bewußtlos, als der Hauptmann ihre Ketten aufschloß. Er hob ihren schlaffen Körper auf und legte ihn auf den Altar. Sie hielt die Augen fest geschlossen, als Ath mit Lederriemen ihre Handgelenke und Fußknöchel an die Ringe band, die an den vier Ecken des Altars eingelassen waren.
»Sehr gut«, meinte der Mann in den grauen Gewändern. Dann fügte er lauter hinzu: »So, Männer, geht jetzt. Seid wachsam! Die beiden Frauen haben Freunde. Hep-Kahl, gib mir die Schatulle. Ath, du kannst bleiben.«
Enttäuschtes Gemurmel drang an Neesas Ohren. Alle ihre Sinne schienen fast unerträglich geschärft zu sein. Der Altar fühlte sich viel kälter an, als es normal war. Sie hob den Kopf und sah, wie die Söldner den Tempel verließen.
»Ath, nimm Lady Zelandra den Knebel ab. Keine Angst, sie ist bereits unfähig zu jeglicher Zauberei.«
Neesa hielt den Kopf hoch, um alles zu sehen, obgleich ihre Nackenmuskeln schmerzten. Ath entfernte den Knebel aus Zelandras Mund. Sie schien es nicht zu bemerken. Ihre Augen waren stumpf und blickten ins Leere. Ath trat zurück und legte die Rechte auf den Griff seines schweren Breitschwerts aus dem Norden.
Ethram-Fal schob die Kapuze nach hinten. Neesa stockte der Atem, als sie den Zauberer sah. Mit den Wülsten über den Augen und dem fliehenden Kinn war er nie ein gutaussehender Mann gewesen. Doch der Mißbrauch des Smaragd-Lotus hatte ihn in etwas verwandelt, das kaum noch als Mensch zu bezeichnen war. Mausbraune Haarbüschel standen auf dem fleckenübersäten Schädel. Statt der dunklen Haut eines gesunden Stygiers war er fahl wie eine Leiche. Sein Gesicht war über und über mit Runzeln bedeckt, wodurch er wie eine lebende Mumie aussah. Das Weiß in den Augen war grünlich verfärbt.
»Nun, Lady, wir haben viel zu besprechen.«
Zelandra schien taub zu sein. Wie eine Schlafwandlerin stand sie da, ohne die schaurige Umgebung wahrzunehmen.
»Ah, ich weiß, was du brauchst«, sagte Ethram-Fal höhnisch. »Schau her, Zelandra.« Mit übertriebener Geste warf er die Silberschatulle in die Luft. Zelandras Blick wurde lebendig. Ihre Augen hafteten an dem silbernen Kästchen.
»Eine kleine Prise dürfte dich gesprächiger machen.« Er öffnete die Schatulle und hielt sie so, daß Zelandra den Inhalt sehen konnte. Schleppend trat Zelandra einen Schritt vor. Die Arme hingen ihr schlaff herab.
»Ja, sehr gut. Du möchtest doch, daß du dich besser fühlst, oder?«
Zelandra tat unter Schmerzen drei weitere Schritte in Ethram-Fals Richtung und streckte dem Stygier flehend die Hände entgegen.
»So wenig ist noch übrig«, sagte der Zauberer. »Trotzdem sollst du eine Prise bekommen.« Er nahm mit zwei Fingern ein Häufchen des dunkelgrünen Pulvers auf und hielt sie
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