Conan-Saga 54 - Conan der Gnadenlose
das Lager fließen. »Warte! Hört euch meine Bedingung an!«
»Nun?«, sagte Marr. Aybas lächelte fast. Er hatte die Legende vernommen, der Pfeifer der Berge sei stumm. Damit war die Legende Lügen gestraft.
»Wir müssen Hauptmann Oyzhik retten«, sagte Aybas.
Der Riese zog das Schwert zurück, aber sein Blick war Furcht einflößender als der scharfe Stahl. Aybas' Augen hatten sich an das schwache Licht gewöhnt. Der Hüne glich einem Cimmerier aus dem Norden. War er der neue Hauptmann der Garde, über den so viele Gerüchte umgingen? Wenn ja, würde er keinen Grund haben, Oyzhik zu lieben.
»Aus Loyalität König Eloikas gegenüber seid ihr hier, um Chienna vor den Sternen-Brüdern und Graf Syzambry zu retten. Rettet auch Oyzhik und erweist damit dem König einen weiteren Dienst.«
»Wie das?« Der Cimmerier verschwendete offenbar keine Worte.
»Gewiss, Oyzhik hat den König verraten, aber er kennt auch viele Geheimnisse des Grafen. Außerdem erhielt er für seinen Verrat bisher keinerlei Lohn. Die Sternen-Brüder halten ihn gefangen und können ihn jederzeit dem Ungeheuer zum Fraß vorwerfen. Vielleicht enthüllt er einiges aus Dankbarkeit, wenn ihr ihn befreit?«
»In Oyzhik steckt so viel Dankbarkeit wie in einer Kohlrübe«, erklärte die Frau. »Doch wenn der König ihn begnadigt ...«
»Rainha, hast du den Verstand verloren?«, unterbrach sie der Hüne mit finsterer Miene.
»Nein«, widersprach die Frau mit dem Namen Rainha. »Ich habe nur gedacht, wir könnten einen zweiten Sieg erringen, ohne den ersten zu verlieren ...«
Der Pfeifer schien ebenfalls ihrer Meinung zu sein. Der Cimmerier nicht.
Die Tür schwang auf und Wylla trat lautlos herein. »Ich habe meinen Vater gewarnt. Er traut keinem, wird sich jedoch mit uns am Haus der Prinzessin treffen.«
»Hat jemand Verdacht geschöpft?«, fragte Conan.
»Ich habe keinen Sternen-Bruder gesehen, auch keinen ihrer Anhänger«, antwortete Wylla. »Ich glaube, wenn sie Verdacht hegten, würden sie ausschwärmen.«
»Schon möglich«, meinte Conan. Er blickte nach oben und schien die Götter um Geduld mit diesen Schwachköpfen anzuflehen und um die Weisheit, Schwachköpfe von Klugen unterscheiden zu können. Dann musterte er Aybas scharf.
»Leiste einen Eid, dass du uns helfen wirst. Brich ihn – oder biege ihn auch nur – und du stirbst im gleichen Atemzug.«
»Ich erwarte nichts anderes.«
Die Gefährten hatten keinen Eid erwartet, wie Aybas ihn ablegte. Lang und breit schwor er bei vielen Göttern, teilweise um sie zu beruhigen, mehr jedoch zu seiner eigenen Beruhigung. Seit seiner Kindheit hatte er einige dieser heiligen Namen nicht mehr in den Mund genommen. Warum auch nicht? Wahrscheinlich würde das der letzte Eid sein, den er einem Lebenden schwor, und der erste seit zwanzig Jahren, den er nicht zu brechen beabsichtigte.
Stellten sich allerdings die Gerüchte als falsch heraus, dass Syzambry tot sei oder zumindest verkrüppelt, würde ihm dieses Bündnis gefährlich werden. Doch mit etwas Glück würde er fliehen können, da der Graf – falls er den Thron bestieg – zuvor mit vielen Feinden in seiner Umgebung fertig werden musste.
Conan war ganz und gar nicht begeistert, als er herausfand, dass die Prinzessin und Oyzhik so weit von einander entfernt untergebracht waren, wie es das Tal gestattete. Sie mussten sich aufteilen. Für den endgültigen Weg in die Freiheit wollten sie sich am Fuß der Klippe wieder treffen.
Aybas und Marr sollten Chienna befreien. Falls nötig, würde die Musik des Pfeifers die Prinzessin und auch ihr Söhnlein beruhigen.
Oyzhik wurde jedoch so streng bewacht, dass es für einen einzelnen Mann – selbst für den Cimmerier – kaum möglich war, ihn zu befreien. Wylla versprach, ihren Vater zum Gefängnis der Magier zu bringen anstatt zum Haus der Prinzessin.
Conan hätte am liebsten Aybas, Oyzhik und die Sternen-Brüder verflucht, doch er wollte keinen Lärm machen. Vielleicht wäre es leichter gewesen, Aybas' Eid zurückzuweisen und ihn zum Schweigen zu bringen. Aber sie hatten sich für den Eid entschieden und waren an den neuen Freund gebunden. Eine Welt, in der Eide mit den Nachtgeschirren in die Gosse geschüttet wurden, war dazu verdammt, von Schurken wie Graf Syzambry und den Sternen-Brüdern regiert zu werden.
Lautlos wie ein Raubtier schlich der Cimmerier durchs Tal zum Versammlungshaus der Sternen-Brüder. Nebel kräuselte sich über dem Damm, eine leichte Brise trug den Gestank des
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