Conan-Saga 54 - Conan der Gnadenlose
verwehrt. Nur ein guter Kletterer wie der Cimmerier schaffte es bis zum Hüttendach.
»Ich klettere hinauf«, sagte Conan. »Wenn ich nahe an der Hütte bin, gebe ich dir ein Zeichen. Du rückst vor und beschäftigst die Wachen, während ich aufs Dach gelange. Danach kannst du dich verstecken, damit die Sternen-Brüder ...«
Thyrin funkelte Conan wütend an. »Falls du bezweifelst, dass meine Ehre der deinen gleichkommt, Cimmerier, dann bezweifle zumindest nicht meinen Verstand. Wylla und ich werden euch bei eurem Vorhaben helfen, ganz gleich, ob uns jemand sieht.«
Mehr Worte schienen überflüssig. Conan verschwand im Schatten bis zum Fuß der Wand und spähte im Mondlicht nach Haltepunkten. Dann begann er mit dem Aufstieg.
»Ho, Freunde?«, rief Aybas. »Ist die Prinzessin im Haus?«
Die beiden Speerträger lachten roh. »Wohin könnte sie gehen, ohne an uns vorbeizukommen? Und sie weiß, was geschieht, falls sie es versucht. Wie alle Tiefländer ist sie zu fein für unsereins.«
Dann erblickte der eine Mann Rainha. »Oder sollte es Tiefländerinnen geben, die eine Schwäche für Männer aus den Bergen haben?«
Rainhas Lächeln war unecht, doch das wussten nur ihre Gefährten. »In der Tat hat man mich aus dem Tiefland hergeschickt. Ich diene Graf Syzambry und soll die Prinzessin untersuchen, ob sie ihm Söhne gebären kann.«
Aybas unterdrückte ein Lachen. Rainha ähnelte in keiner Weise einer Hebamme. Doch ehe die Wachen Zweifel äußern konnten, fügte Rainha hinzu: »Außerdem soll ich diejenigen belohnen, die dem Grafen treu gedient haben.«
Beim Sprechen schwang sie die Hüften so, dass jede Tavernentänzerin neidisch geworden wäre. Die Wachen sahen deutlich, welche Belohnung ihnen winkte.
Während die Speerträger Rainha angafften, schlichen Aybas und Marr hinter ihnen heran. Mit einer Keule versetzten sie den Wachen einen gezielten Schlag in den Nacken. Wie vom Blitz getroffen, sanken die Wachen zu Boden.
»Hebt sie auf die Bank«, sagte Aybas. »Sie sitzen im Dienst oft darauf. Wylla, du bleibst als Wache hier. Lass es so aussehen, als würdest du dich ... äh ... mit ihnen unterhalten.«
Wylla streckte die Zunge heraus, aber sie zog brav die Tunika aus und streifte die Beinkleider knapp bis unter die Hüften. Beim Anblick ihrer wunderbaren Brüste betete Aybas darum, dass Wylla zumindest diese Nacht überleben möge. Gewiss, sie war ihm nicht bestimmt, doch war sie zu jung, um wegen der Dummheit anderer zu sterben.
Während Marr und Rainha die Wachen auf die Bank setzten, klopfte Aybas an die Tür. Wylla setzte sich auf die Bank und legte die Arme um die beiden Wachen.
»Wer ist da?«, ertönte eine Stimme aus dem Haus.
»Bei Mitras Bart, es ist Aybas. Ich bringe wichtige Nachrichten.«
Nach einer schier endlos langen Weile wurde der Riegel zurückgeschoben. Aybas öffnete die Tür und trat ein, vorbei an der Dienerin. Ehe diese einen Laut von sich geben konnte, hatte Rainha ihr eine Hand auf den Mund gelegt und zeigte ihr mit der anderen den Dolch.
Die Prinzessin war noch wach. Ihr Söhnlein schlief, bis die Fremden hereinstürmten. Dann schrie es laut genug, um sämtliche Schläfer im Tal zu wecken.
Da ertönten leise Marrs Pfeifen. Er spielte eine Melodie ohne Worte, aber ungemein beruhigend. Gleich darauf war der Kleine still. Als die Prinzessin ihn aufhob, schloss er die Augen und schlief weiter.
»Hat die Musik ihm geschadet?«, fragte die Prinzessin bang.
»Nein, er schläft nur so lange, bis es für ihn sicher ist, aufzuwachen«, erklärte Marr.
»Sicher ...?«, wiederholte die Prinzessin, als habe sie den Verstand verloren. Aybas biss die Zähne zusammen. Warum verloren scheinbar vernünftige Frauen den Verstand immer zum schlechtesten Zeitpunkt?
»Hoheit, ich ... wir sind hergekommen, um Euch und Prinz Urras zu Eurem Vater zu bringen. Der König lebt und ist wohlauf, allerdings hält er sich verborgen. Mit Euch und Eurem Sohn an der Seite wird das Reich zu seinem Banner eilen.«
Die Prinzessin schüttelte den Kopf, wodurch ihre langen Haare um die Schultern tanzten. Diese Geste schien ihre Verwirrung zu beenden.
»Gestattet mir, mich gebührend zu kleiden, gute Leute«, sagte sie hoheitsvoll. »Es wäre unpassend, die Reise im Nachtgewand anzutreten.«
Mit herrischer Geste winkte sie der Dienerin. Rainha ließ diese frei. Die Prinzessin übergab ihr den Säugling, dann verschwand sie mit der Dienerin im Schlafgemach. Instinktiv wiegte Rainha den schlafenden
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