Conan-Saga 54 - Conan der Gnadenlose
länger zu sein schien, als ein Mann groß war – zumindest kam es denen so vor, die lange genug lebten, um es überhaupt zu bemerken.
Zwei Wachen starben sogleich mit gespaltenem Schädel. Die anderen beiden ereilte der Tod auf der Flucht. Einer stieß einen Todesschrei aus. Dieser Schrei, zusammen mit Conans Kriegsgeheul, ließ den Rest der Wachen zur Tür des Langhauses eilen.
Doch sie wagten sich nicht ins Freie. Ihren schlaftrunkenen Augen erschienen die Feinde nicht wie Menschen. Sie glaubten, der Haarige Mann der Berge aus der Legende sei gekommen, um sich zu rächen, weil sie seinem Kult abgeschworen hatten.
»Die Sternen-Brüder haben gelogen!«, schrie ein Krieger.
»Verzeih uns, du Großer Haariger Lord!«, wimmerte ein anderer.
Conan hielt nicht inne, um den Irrtum aufzuklären. Er sprang zur Tür und knallte sie vor den Wachen zu. Dann stemmte er ein Holzscheit als Keil unter den Riegel. Von der Feuerstelle holte er einen brennenden Ast und schleuderte ihn aufs trockene Strohdach des Langhauses.
Als Thyrin und Oyzhik sich neben ihn stellten, brannte das Dach bereits lichterloh. Wieder lud sich der Cimmerier Oyzhik auf die Schultern.
Da übertönten der Donner der Trommeln und schrille Trompetenstöße das Prasseln der Flammen. Thyrin fluchte.
»Ich habe um Stille gebetet, doch die Götter ...«
»Lass die Götter in Ruhe«, fuhr Conan ihn an. »Wie schnell können wir verschwinden?«
»Ich bin kein Krüppel, Cimmerier«, entgegnete Thyrin. »Aber ich warne dich. Jetzt sind die Wege durchs Dorf und der Pfad, auf dem ihr hergekommen seid, bewacht. Es gibt noch einen anderen Weg, der weniger beschwerlich ist.«
»Dann führe mich dorthin«, befahl der Cimmerier barsch. Flüchtig dachte er daran, seine Last Thyrin aufzubürden, um ihn zum Schweigen zu bringen. Doch dann besann er sich eines Besseren. Conan war jünger und würde den Gefangenen nicht ›unglücklicherweise‹ in einen Brunnen fallen lassen.
»Wie du willst, aber ich werde auch zu den Göttern beten, dass Marr der Pfeifer ebenfalls diesen Pfad kennt und auf dem Weg dorthin ist.«
»Noch ein Rätsel«, sagte Conan.
»Kein Rätsel, schlicht die Wahrheit. Es ist ein Spaziergang, sobald man einmal auf dem Pfad ist. Doch um ihn zu erreichen, muss man den Damm überqueren, der den See mit dem Ungeheuer zurückhält. Die Dammkrone liegt nur mannshoch über dem Wasser, in Reichweite des Ungeheuers.«
Conans Furcht vor Zauberei ließ sein Herz einen Satz machen. Dann zuckte er mit den Schultern und rückte seine Last zurecht.
»Ich war schon in Reichweite schlimmerer Geschöpfe als eures Sternen-Ungeheuers und habe mir den Weg freigekämpft«, sagte er. »Führe uns, mein Freund.«
K APITEL 15
Nicht lange nach dem Ertönen des Alarms war Aybas klar, dass ihnen der Fluchtweg abgeschnitten war. Die Prinzessin musste wenigstens nicht mit dem Säugling auf dem Rücken die Felsen erklimmen.
Doch als er von dem anderen Fluchtweg aus dem Tal hörte, verlor er beinahe jegliche Hoffnung. Jetzt war zwar der Aufstieg leicht, aber um dorthin zu gelangen, mussten sie am schlimmsten Feind vorbei. Das Ungeheuer der Sternen-Brüder war mit Sicherheit wach und hungrig, ehe sie aus seiner Reichweite waren.
»Durchaus möglich«, sagte Marr. »Doch bedenke Folgendes. Wenn wir das Biest hinter uns haben, ist es eine vortreffliche Rückendeckung für uns. Nicht einmal die Sternen-Brüder vermögen das Ungeheuer zu beherrschen, wenn es hellwach, hungrig und wütend ist.«
»Wie können wir es davon abhalten, aufzuwachen, bis wir vorbei sind?«, fragte die Prinzessin.
»Ich verfüge über ein Wissen, das uns helfen könnte«, antwortete Marr und legte die Hand auf die Pfeifen an seinem Gürtel.
Der Ausdruck auf Chiennas Gesicht erinnerte Aybas an Conans Miene, wenn Magie erwähnt wurde. Jetzt erst wurde der Prinzessin bewusst, dass sie heute Nacht der Zauberei mit Haut und Haaren ausgeliefert waren. Aybas bezweifelte nicht, dass auch sein Gesichtsausdruck dem Chiennas glich.
Zwei Monde lang hatte er davon geträumt, einen Ort jenseits der Reichweite der bösen Magie der Sternen-Brüder zu finden. Jetzt war er vielleicht auf dem Weg zu diesem Ort. Doch dieser Weg war nur mit einer anderen Magie erreichbar – einer Magie, die womöglich am Ende ebenso übel war wie jene der Sternen-Brüder. Ja, so war es eben. Die andere Möglichkeit war, im Tal zu bleiben, bis die Pougoi ihn umbrachten. Aybas dachte an die Bestrafung, die ihm drohte, weil
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