Conan und die Straße der Könige
Kazi, beeil dich!«
Einen aufreibend langen Augenblick suchte das Mädchen nach dem richtigen Schlüssel und plagte sich damit ab, ihn ins Schloß zu stecken. Endlich öffnete sich die Tür. Conan huschte hinaus wie eine Raubkatze, die aus ihrem Käfig flieht. Er schaute sich auf dem Korridor um, während Santiddio seine Schwester umarmte.
In der Wachstube schnarchten die Wärter. Ihr Schlummer würde sie zweifellos das Leben kosten, aber Conan verschwendete keinen Gedanken an sie. Die drei nahmen sich Militärumhänge von den Wandhaken und schlichen die Treppe hoch. An ihrem Kopfende befand sich eine Tür und neben ihr ein Toter. Ein Stilett hatte sein Herz getroffen.
»Ich sagte ihm, ich würde es ihm lohnen, wenn er mich meinen Bruder besuchen läßt«, erklärte Sandokazi. »Aber ich hatte das Gefühl, daß er hinterher nicht den Mund halten würde.«
Zu dieser nächtlichen Stunde waren die Korridore des Palasts leer, wenn man von den Patrouillengängen der Wachen absah. Aber Conan wußte, da er sie selbst eingesetzt hatte, welchen Weg sie zu welcher Zeit nahmen, und so konnten sie ihnen ausweichen. Der Morgen würde jedoch bald grauen und ihre Flucht sofort bei der Wachablösung bemerkt werden.
»Ich habe ein Seil versteckt, mit dem ihr über die Mauer klettern könnt«, sagte Sandokazi. Conan hatte ihre Klugheit immer bewundert. »Wenn ihr dann erst aus der Festung seid, müßt ihr selbst sehen, wie ihr weiterkommt.«
»Du mußt uns begleiten«, drängte Santiddio. »Mordermi wird dich zweifellos verdächtigen.«
»Das wird er vielleicht«, gestand das Mädchen ihm zu, »aber er wird nichts unternehmen. Callidios mag zwar seine Seele vergiftet haben, aber sein Herz gehört noch mir. Mordermi wird die Schuld für eure Flucht auf die Weiße Rose schieben und sie als weiteren Beweis einer Verschwörung nutzen.«
»Ich kann nicht zulassen, daß du hier in Gefahr bist, weil du uns geholfen hast«, erklärte Conan. »Mordermi ist nicht zu trauen.«
»Mordermi ist mein Liebster!« fauchte Sandokazi ihn an. »Verstehst du denn nicht – ich liebe ihn! Wenn ich ihn jetzt im Stich lasse, wird er niemanden mehr an seiner Seite haben als diesen Teufel Callidios!«
Es gefiel dem Cimmerier nicht, aber schließlich war sie alt genug, ihre Entscheidungen selbst zu treffen. Und Santiddio kannte seine Schwester, also versuchte er gar nicht erst, sie zu überreden.
»Was werdet ihr tun?« fragte Sandokazi sie, um von dem Thema abzulenken.
»Erst einmal aus Kordava fliehen«, antwortete ihr Bruder. »Wir sind zu gut bekannt, als daß wir uns in der Stadt verstecken könnten, und Mordermi hat seine Spitzel überall. Wir werden mit jenen, die er verraten hat, eine neue Rebellion organisieren. Und sie wird keine erlogene Verschwörung sein, die er so leicht unterdrücken kann, wie er sie erfand.«
»Und wie sieht es mit der Letzten Wache aus?« fragte Sandokazi besorgt.
»Hast du eine Ahnung, wie Callidios seine Teufel beherrscht?«
»Nur, daß er sich in ein streng bewachtes Gemach ganz oben auf dem Palastturm einsperrt, wenn er sie ruft«, erwiderte sie. »Und er kommt auch nicht eher wieder heraus, bis sie sein blutiges Werk getan haben. Der Stygier wirkt all seinen Zauber dort. Und niemand darf dieses Gemach betreten.«
»Wir werden Hilfe gegen Callidios' Zauberei suchen, und zwar bei jemandem, der in den magischen Künsten bewandert ist«, sagte Santiddio. »Ich habe viel über diese Sache nachgedacht, während ich die Wände meiner Zelle anstarrte.«
»Du willst bei einem anderen Zauberer Hilfe suchen?« protestierte Conan. »Wenn seine Kräfte stärker sind als Callidios', verjagen wir lediglich den Wolf mit dem Tiger.«
»Nicht, wenn dieser Zauberer unsere Schwester ist«, entgegnete Santiddio. »Ich werde Destandasi um Hilfe bitten. Ob sie sie gewährt, weiß ich natürlich nicht.«
Conan hatte schon fast vergessen, daß die Esantis Drillinge waren und die Schwester der beiden Freunde sich aus dem korrupten Zingara zurückgezogen hatte und in den geheimnisvollen Jhebbal-Sag-Orden eingetreten war. Er erinnerte sich jetzt wieder, daß Mordermi ihm erzählt hatte, die dritte Esanti sei Priesterin in einem heiligen Hain Jhebbal Sags irgendwo auf der anderen Seite des Schwarzen Flusses.
»Destandasi hat alle Beziehungen zu unserer Familie abgebrochen – zu der alten Tradition der Esantis und zu der Sache, für die wir zwei heute noch kämpfen«, erklärte Sandokazi. »Weshalb sollte sie uns jetzt helfen,
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