Confusion
fünf Tage nachdem sie Malta verlassen
hatten. Jack nahm an, dass das Ganze, wenn er Gott wäre und den Kampf vom Himmel aus beobachtete, womöglich sogar einen Sinn ergäbe: Die Angriffe der holländischen Kriegsschiffe, die würdevollen Manöver der französischen und der scharfe Zickzackkurs der Galeeren würden ein zusammenhängendes Bild abgeben und nicht so sehr den Eindruck einer endlosen Reihe schrecklicher Unfälle erwecken. Jack war jedoch nur ein Staubkorn auf einer Galiot, die man offensichtlich nicht für wert befand, angegriffen oder verteidigt zu werden. Jetzt wurde ihnen klar, warum der schlaue Investor nie darauf bestanden hatte, die Beute von der Galiot auf ein Kriegsschiff umzuladen: Er musste geahnt haben, dass die Hälfte oder noch mehr von seinen großen Schiffen auf dem Grund des Mittelmeers enden würden.
Jedes Mal wenn eine französische Fregatte eine holländische Breitseite abbekam, flog auf der gegenüberliegenden Seite eine riesige Wolke aus herumwirbelnden Planken, sich überschlagenden Spieren und anderem wichtigen Material hinaus und zerriss die Wasseroberfläche auf einer Länge von hundert Yard oder mehr. War das mehrmals passiert, hörte das Schiff auf, sich zu bewegen, und eine Galeere wurde herbeigeholt, um es aus der Gefechtslinie zu schleppen, ein bisschen wie ein Diener, der auf eine belebte Tanzfläche hastet, um einen fetten Herzog, der vom Trinken ohnmächtig geworden ist, von dort wegzuziehen.
Die Galiot wanderte ziellos umher, wie ein verlassenes Lamm, das in einer von Wölfen auseinandergetriebenen Herde seine Mutter sucht. Van Hoek verbrachte den Tag oben auf der Großmars, applaudierte den Holländern und rief den anderen hin und wieder Erläuterungen zu dem Geschehen zu – allerdings so rätselhafte und technische, dass sie eigentlich nutzlos waren. Schon sehr früh hatten die Verschwörer darüber diskutiert, ob sie sich unverzüglich den Holländern ergeben sollten. Doch bei diesem Plan konnte eine Menge schiefgehen. Im besten Fall würde es bedeuten, auf das ganze Gold zu verzichten, und viele in der Verschwörertruppe teilten nicht unbedingt van Hoeks natürliche Affinität zur holländischen Sicht der Dinge.
Die Galeere, an die Monsieur Arlanc gekettet war, überstand fast die ganze Schlacht ohne nennenswerten Schaden. Dann wurde sie (van Hoek zufolge) herbeizitiert, um ein bestimmtes holländisches Schiff zu rammen. Auf dem Weg dorthin geriet sie unter Beschuss durch andere, und eine Bombe ging offensichtlich in ihrem Achterkastell hoch, wo sie ein Feuer entzündete, das ein paar Minuten später
ihr Pulvermagazin in die Luft jagte und im Wesentlichen ihr Achterdeck wegblies. Sehr schnell hob ihr Bug sich aus dem Wasser und ihr Rammsporn fuhr, einem Uhrzeiger gleich, unaufhaltsam nach oben. Die Galériens in der vorderen Hälfte des Schiffes – vermutlich auch Monsieur Arlanc – ließen ihre Riemen los und schlangen die Arme um ihre Bänke; manche konnten sich jedoch nicht halten, so dass Scharen von Sklaven in der Luft baumelten wie Forellen, die an Schnüren vor der Bude eines Fischhändlers hängen.
»Lasst uns dort hinüberrudern«, sagte Jack, »das ist auch nicht gefährlicher als das, was wir ohnehin tun, und zeugt außerdem von gutem Benehmen.«
Auf den Gesichtern anderer Mitglieder der Verschwörertruppe zeigte sich große Besorgnis. Vrej Esphahnian klappte den Mund auf, als wollte er einen Einwand erheben, doch dann pfiff, nur wenige Yard über ihren Köpfen, eine mächtige Kanonenkugel vorbei, was Jacks Standpunkt bestätigte und ihnen viele zähe Beratungen ersparte. So legte al-Ghuráb das Ruder ganz herum, und sie nahmen Kurs auf die sinkende Galeere.
Währenddessen ging Jack zu den Sklaven hinunter – allerdings nicht, ohne Jewgeni vorher gebeten zu haben, einen bestimmtengroßen Hammer und einen Amboss zu besorgen.
In der Nacht vor ihrer Abreise von Malta, als die meisten Matrosen der Flotte an Land gewesen waren, um zu zechen und/oder die heilige Kommunion zu empfangen, und die meisten ihrer Offiziere, um Einladungen zu offiziellen Abendessen nachzukommen, hatten die Verschwörer sich mit Donnerbüchsen bewaffnet und sich dann am Laufgang der Galiot entlanggearbeitet, indem sie immer zwei Sklaven auf einmal losketteten und durchsuchten. Turbane, um den Kopf geschlungene Lumpen und Lendenschurze waren ausgeschüttelt und abgetastet, Kiefer und Gesäßbacken auseinandergeschoben und Haare durchgekämmt oder abgeschnitten worden. Jeronimo
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