Confusion
Jeronimo und Nyazi, van Hoek und den anderen zurückgeschlagen zu werden; die Wolken aus Pulverdampf, die über ihnen dahinzogen, und die Leichen ertrunkener Galériens unter ihnen: blasse, verschwommene Formen zu fünft an einer Schnur, wie Perlen.
Doch zu dem Zeitpunkt nahm Jack wenig Notiz von dieser Ambiance und konzentrierte sich fast ebenso wie Gerard auf die Sache mit dem Schloss und der Kette. In dem Moment, als die Galeere den Franzosen unter Wasser zog, hatte er das Vorhängeschloss noch nicht geöffnet, und Jack dachte schon, sein Plan sei gescheitert. Der Türke, der am Laufgang saß, ging mit dem Ruf »Allahu Akbar!« unter, und die Männer neben Monsieur Arlanc intonierten beim Untergehen »Herr, in deine Hände befehle ich meinen Geist«. Dann kam der Moment,
wo Monsieur Arlancs Gesicht nur noch in den Wellentälern sichtbar wurde. Doch da tauchte der Kopf von Gerard wieder auf, gefolgt von dem des Türken; sie kletterten mühsam aufwärts, wobei sie die Galeere als Leiter benutzten, auch wenn sie immer tiefer rutschte. Gerard erreichte einen für kurze Zeit sicheren Platz, drehte sich um, wog das geöffnete Vorhängeschloss in einer Hand und zielte damit auf Jacks Kopf. Jack zog ihn ein und lachte. »Da hast du deine Befreiung, Engländer!«, schrie Gerard, der vor Wut weinte.
Jetzt nahmen sie direkten Kurs auf die Nilmündungen, bei Tag unter Segeln und bei Nacht mithilfe der Riemen. Alle paar Stunden sichteten sie versprengte Schiffe der französischen Flotte, die inzwischen über fünfzig Meilen zerstreut war. Mehrere Male sahen sie auch die Météore , die bei dem Gefecht ihren Besanmast eingebüßt hatte, und sie gab ihnen Zeichen mit Spiegelblitzen.
»Erst zwei, dann drei«, sagte Nasr al-Ghuráb.
»Dem Plan zufolge besagt dieses Signal, dass wir die Reise abkürzen und Alexandria anlaufen sollen, statt nach Abukir zu fahren«, erklärte Moseh.
Al-Ghuráb verdrehte die Augen. »Dann könnten wir auch gleich nach Marseille fahren. In El Iskandariya sind die Franzosen fast so mächtig wie die Türken.«
»Wir müssen es dem Investor ja nicht unbedingt erleichtern, uns zu ficken«, spottete Jeronimo.
»Dann werden wir nach Kairo fahren und es ihm ein bisschen erschweren«, erwiderte der Raïs .
»Kairo mag ich lieber als Alexandria«, sagte Jack, »aber gern mag ich Kairo auch nicht. Es ist eine Sackgasse – Endstation.«
»Stimmt nicht – wir könnten den Nil aufwärts nach Äthopien rudern!«, sagte Dappa.
Nyazi, der Dappas Scherz als Herausforderung an seine Gastfreundschaft verstand, erklärte, er würde liebend gern bis ans Ende seiner Tage nackt im Dreck schlafen, um den Verschwörern bequeme Betten bieten zu können – vorausgesetzt, sie kämen bis zu den Ausläufern des Nuba-Gebirges.
»Der entscheidende Punkt, warum wir Kairo gewählt haben, war der, dass es der östlichste Hafen ist, den Mittelmeerschiffe anlaufen können«, erinnerte sie Moseh, »und deswegen sollte unsere Ladung dort den höchsten Wert haben, auf dem, wie es heißt, phantastischen
Bazar Khan el-Khalili, mitten in dieser uralten Stadt, die manche die Mutter der Welt nennen. Und das trifft jetzt nicht weniger zu als vorher .«
»Wenn wir aber erst einmal drin sind, kommen wir nicht mehr raus – der Investor braucht bloß Schiffe vor den beiden Nilmündungen zu postieren, in Rosetta und Damietta, und schon sitzen wir in der Falle«, gab van Hoek zu bedenken.
»Trotzdem, diese Hälfte des Mittelmeers ist immer noch türkisch. Die Türken kontrollieren jeden Hafen«, sagte der Raïs , »und auf schnelleren Schiffen als unserem wurde die Nachricht verbreitet, dass, falls eine Galiot mit einer Besatzung aus zumeist Ungläubigen und mit den und den Kennzeichen auftauchen sollte, sie auf der Stelle zu beschlagnahmen und die Besatzung in Ketten zu legen sei. Nach Kairo zu fahren und unsere Ladung auf dem Khan el-Khalili gegen ein riesiges Angebot an Waren einzutauschen, ist kein so übles Schicksal, vergleicht man es mit den Alternativen...«
»Erstens, von dem Investor in Alexandria gefickt zu werden«, sagte Jeronimo.
»Zweitens, im Kerker irgendeines von Schmeißfliegen verseuchten Hafens der Levante zu landen«, sagte Dappa.
»Drittens, das Schiff an irgendeinem menschenleeren Ort auf Grund zu setzen und uns, gebeugt unter dem Gewicht unserer Ladung, in die Sahara zu schleppen«, sagte Vrej.
»Äthiopien klingt von Minute zu Minute besser«, sagte Dappa.
»Ich werde meine Ehefrauen gerecht auf die
Weitere Kostenlose Bücher