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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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neun von uns, die noch einen Penis haben, verteilen«, verkündete Nyazi, »und Jack kann mein bestes Kamel bekommen!«
    »Keine Angst, Jack«, sagte Monsieur Arlanc und nahm ihn beiseite. »Ich kenne ein oder zwei Händler in Groß-Kairo. Mit deren Unterstützung kann ich Euch helfen, Euren Anteil an den Waren zu verkaufen und dafür einen in Amsterdam zahlbaren Wechsel zu bekommen.«
    Jack seufzte. »Ich glaube nicht, dass irgendjemand von uns in Kairo gut schlafen wird.«
    Sie reagierten also nicht auf die Botschaften von der Jacht des Investors und nutzten ihre (jetzt) höhere Geschwindigkeit, um einen gebührenden Abstand von ihr zu halten. Sie versuchten jedoch nicht, sich bei Nacht abzusetzen und zu verschwinden, denn es brächte ihnen keinen Vorteil, den Investor in Wut zu versetzen.

    Trockenes, in einen Staubschleier gehülltes Hochland tauchte allmählich an Steuerbord auf. Der Fluss nahm eine braune Färbung an und führte immer mehr Schlamm, Stöcke und Stroh mit sich; Nasr al-Ghuráb nannte dieses verschmutzte Wasser Sudd . Er sagte, das alles sei vom Nil aus Ägypten herausgespült worden. Jetzt, im Monat August, erreiche der Fluss seinen Höchststand.
    Eines Mittags erspähten sie dann einen Hügel mit einer einzigen römischen Säule auf der Spitze und einer Stadt, die als unordentlicher Haufen zu seinen Füßen lag. »Sieht aus, als hätte ein Erdbeben die ganze Stadt in Trümmer gelegt«, sagte Jack, aber der Raïs erwiderte, Alexandria habe schon immer so ausgesehen, und deutete zum Beweis auf die Festungsanlagen. Tatsächlich erhob sich mitten im Hafen, am Ende eines breiten Damms, ein viereckiges steinernes Kastell; es schien durchaus planvoll erbaut und wies keinerlei Anzeichen von Beschädigung auf. Ein oder zwei der schnelleren französischen Schiffe waren bereits im Schutz seiner Kanonen vor Anker gegangen. Jack schaute eine Zeitlang durch einen geborgten Kieker und konnte sehen, wie Perücken tragende Männer in Langbooten auf und ab gingen und mit Zollbeamten verhandelten, die hier wie in Algier schwarz gekleidete Juden waren.
    »Die Franzosen zahlen drei Prozent – Kaufleute aus anderen Nationen zahlen zwanzig«, kommentierte Monsieur Arlanc, »vermutlich dank der Machenschaften Eures Investors und anderer bedeutender Franzosen.« Seit seiner Rettung von der Galeere war er als eine Art Berater der Verschwörertruppe akzeptiert worden.
    »Wenn die Türken erst einmal sehen, wie die französische Flotte von den Holländern zugerichtet wurde, werden sie ihre Politik vielleicht ändern«, mutmaßte van Hoek.
    »Nicht, wenn der Duc d’Arcachon sie mit einer Galiot-Ladung Goldbarren besticht«, warf Jack ein.
    Die meisten Schiffe der französischen Flotte, darunter die Météore , nahmen direkten Kurs auf den Hafen von Alexandria. Nasr al-Ghuráb dagegen drehte die Galiot in Richtung Küste aufwärts, ließ so viele Segel setzen wie möglich, rief die Galériens an die Riemen und fuhr zwei Stunden lang mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit von neun Knoten. Das brachte sie zu einer Landzunge namens Abukir. Von hier aus war Alexandria durch Staub und Hitzewellen hindurch immer noch vollständig zu sehen, und vermutlich traf auch das Gegenteil zu; ganz sicher hatte irgendein französischer Offizier durch einen Kieker jeden einzelnen Riemenschlag verfolgt.

    Auf der Abukir-Landzunge gab es keine Stadt, nur ein paar Hütten arabischer Fischer und drumherum dürre Gestelle, auf denen sie den Fisch zum Trocknen auslegten. Es gab jedoch eine trutzige türkische Festung mit vielen Geschützen und unterhalb davon ein Zollhaus mit seiner eigenen Pier. Moseh und Dappa fuhren mit dem Skiff hinüber, während der Raïs und die anderen die heikle Aufgabe meisterten, die Galiot längsseits an die Pier zu legen. Aus dem Zollhaus kam der hier zuständige Jude, gefolgt von Moseh, Dappa und ein paar jüngeren Juden – seinen Söhnen -, die rote Wachsstäbe, Tintenfässer und andere notwendige Dinge trugen. Der Jude sprach mit Moseh in einer sonderbaren Art von Spanisch. Er brachte mehrere Stunden damit zu, durch den Frachtraum zu gehen und jede Holzkiste mit einem Zollsiegel zu versehen, ohne sie überhaupt zu inspizieren und ohne irgendeinen Zoll zu erheben – was natürlich auf türkischer Seite von dem Pascha durch seine Kontakte in Ägypten alles schon im Voraus arrangiert worden war. Dieses Zollhaus in Abukir war das einzige im Osmanischen Reich, ja eigentlich auf der ganzen Welt, wo so etwas möglich

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