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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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tanzte, aber hin und wieder in einem Lichtblitz wie dem, der von Monsieurs Arlancs Handspiegel gekommen war, verschwand.
    Die Halb-Galeere war keine andere als die Galiot der Verschwörer.
    Jacks erster Gedanke war, dass unter den neuen Sklaven eine Meuterei ausgebrochen sein musste und seine Kameraden auf diese Weise um Hilfe baten. Doch die Blitze kamen nicht vom Achterdeck, wo die Verschwörertruppe bei einer Meuterei ihre letzte Stellung beziehen würde, sondern von einem Punkt ganz unten und eher mittschiffs: aus einer der Ruderdollen. Es musste einer der neuen Galériens sein, der, inzwischen vermutlich sicher an seine Bank gekettet, einen Handspiegel hinausstreckte, um Zeichen zu geben – nur wem genau?
    Jack drehte sich zur Pier um, die in tiefen Schatten gefallen war, als die Sonne sich hoch über die Klippen und Burgen von Malta geschwungen hatte. Indem er seine Augen mit der Hand gegen den grellen Schein der Sonne abschirmte, konnte er einen verschwommenen bläulichen Lichtfleck erkennen, der um die Schatten der Pier herumstrich. Der Spiegel wurde in weiter Ferne von einer unruhigen Hand auf einem schwankenden Schiff gehalten, und so huschte der Lichtfleck oft in den Himmel oder stürzte ab in die Wellen. Er kam aber immer wieder zurück und wanderte vorsichtig unten an der Pier entlang, um jedes Mal an derselben Stelle hochzuschießen. Nachdem das wiederholt passiert war, hob Jack den Blick und sah, dass oben auf der Pier Pierre de Jonzac mit einem Federkiel an einem Klapptisch saß und aufs Meer hinausschaute. Jeder Spiegelblitz erleuchtete ihn mit einem gespenstischen Licht, und danach senkte er jedes Mal den Kopf (seine Perücke bewegte sich) und schrieb etwas auf (sein Federkiel wackelte).
    »Vermutlich glaubt Ihr, dass das alles so vorherbestimmt war, Monsieur«, sagte Jack, »ich meine aber, dass Ihr hier die Hand im Spiel hattet und deswegen meinen Dank verdient.«
    »Wir haben keine Zeit zum Reden«, sagte Arlanc. »Ihr müsst aber wissen, dass die Männer, die sie euch geschickt haben, sehr gefährlich sind: Mörder, Konspiranten, Fanatiker, Männer, die Backhäuser ausplündern, solche, die sich an Frauen vergehen, und Schlosser, die kein Ehrgefühl mehr haben.«
    »Ich hätte lieber einen Hugenotten oder zwei«, sinnierte Jack, während
er die anderen vier Mitglieder von Monsieur Arlancs Truppe in Augenschein nahm. Der Anführer, der am Laufgang saß, war ein Türke.
    »Das ist ein vortrefflicher Gedanke, Jack, aber nicht dazu bestimmt, Wirklichkeit zu werden. Dem werden sie nie zustimmen – das passt nicht in ihren Plan.«
    »Und was ist mit Gott? Hat der keinen Plan?«
    »Ich glaube nur, dass Gott mich bis jetzt beschützt hat, damit ich Euch zeigen konnte, was ich Euch gezeigt habe«, sagte Monsieur Arlanc und warf dabei einen raschen Blick auf de Jonzac, der in einem weiteren schwachen Lichtblitz erstarrte, »und mich so für Eure Großzügigkeit in dem Pferdestall erkenntlich zeigen kann. Was um alles in der Welt treibt Ihr überhaupt?«
    »Das ist eine lange Geschichte«, erwiderte Jack und trat einen Schritt zurück – denn al-Ghuráb hatte endlich den letzten Sklaven ausgesucht und rief ihm gerade etwas zu. »Ich werde es Euch erklären, wenn wir nach Ägypten kommen.«
    Monsieur Arlanc lächelte wie ein Märtyrer auf dem Bratrost und schüttelte den Kopf. »Diese Galeere wird Ägypten niemals erreichen«, sagte er, »und meine sterbliche Hülle ist, wie Ihr seht, eins mit ihr.« Er tätschelte die Kette, die mit einem Schloss um seine Taille gelegt war.
    »Was? Ihr macht wohl Witze? Schaut Euch doch die Größe dieser Armada an! Uns wird’s gut gehen.«
    Arlanc schloss, immer noch lächelnd, die Augen. »Wenn Ihr holländische Flaggen seht, oder englische oder – Gott bewahre! – beide zusammen, nehmt Kurs auf Afrika und haltet nicht an, bis Ihr auf Grund gegangen seid.«
    »Und was dann? Zu Fuß durch die Sahara?«
    »Das wäre einfacher als die Reise, die wir morgen antreten. Gott segne Euch und Eure Söhne.«
    »Desgleichen Euch und die Euren. Wir sehen uns bei der Sphinx.« Jack stürmte davon. Dieses eine Mal hetzten ihn die Galériens nicht den ganzen Laufgang entlang. Stattdessen erschienen sie sachlich und ernüchtert, als hätten sie alle das Thema der Unterhaltung zwischen Jack und Monsieur Arlanc erraten.
     
    Die Reise von Malta nach Alexandria war eine Loxodrome von tausend Seemeilen Länge. Die Holländer griffen sie auf halbem Weg an, irgendwo südlich von Kreta,

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