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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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Der springende Punkt an der Geschichte ist, dass unser Kolloquium in vielem Erfolg hatte, doch in dieser unserer ambitioniertesten Bemühung scheiterte. Bedeutete dies das Ende der Naturphilosophie? Nein. Das Ende von Hookes oder Wilkins’ oder meiner Karriere? Keineswegs. Ganz im Gegenteil, es führte geradewegs zu einer Blüte derselben. Weshalb ich dazu gekommen bin, dass ich apokalyptischen Deutungen von Wissenschaft oder Gesellschaft misstraue. Und ich habe diese Lektion nicht eben schnell gelernt. Ich habe mir zum Beispiel eingebildet, die Glorreiche Revolution würde alles ändern, doch nun sehe ich, dass Kavaliere und Rundköpfe nur durch Torys und Whigs ersetzt worden sind und der Krieg weitergeht.«
    »Soll ich daraus schließen, dass Ihr beabsichtigt, eine Parallele zwischen den Misserfolgen Hookes und den Aussichten für unsere Zusammenarbeit zu ziehen?«, sagte Fatio mit gezwungener Heiterkeit. »Ich hatte angenommen, Ihr wärt als Handlanger für Leibniz hier! Er ist wenigstens ein würdiger Gegner! Er ist zwar erst nach mir und Isaac mit dem Kalkül herausgekommen, aber er weiß wenigstens, worum es sich handelt! Hooke ist nichts weiter als ein verdammter schmutziger Empiriker!«
    »Ich bin hier als Handlanger für Isaac, mein junger Freund von dreißig Jahren. Ich fürchte um ihn, weil ich erkenne, dass er eine falsche
Vorstellung davon hat, was die Naturphilosophie und was er ist. Er steht so weit über uns anderen, dass er zu der Überzeugung gekommen ist, er trüge die Last irgendeines Millenniums-Schicksals und müsse die Naturphilosophie bis zu irgendeinen äußersten Omega-Punkt vorantreiben oder er wäre gescheitert. Gewisse sykophantische Bewunderer haben ihn in dieser Überzeugung bestärkt.«
    »Ihr wollt ihn zurück! Ihr wollt, dass Isaac die Entscheidung widerruft, die er am Pfingstsonntag 1662 getroffen hat!«
    »Nein. Ich will, dass er die gleiche Entscheidung in Bezug auf Euch, Fatio, wiederholt. Von mir hat er sich 62 zurückgezogen. Von Leibniz 77. Nun schreiben wir 93, und Euer Blatt ist ausgereizt.«
    »Ich weiß Bescheid darüber, was 62 und 77 passiert ist. Isaac hat es mir erzählt. Doch zwischen uns liegt der Fall anders. Zwischen uns besteht eine echte, dauerhafte gegenseitige Zuneigung.«
    »Nicolas, so viel ist wahr«, sagte Isaac. »Aber du missverstehst das Ganze. Daniel will auf etwas anderes hinaus.«
    »Was könnte Mr. Waterhouse wohl sagen, das von Interesse wäre? Er ist ein Amanuensis, ein Sekretär.«
    » Lass bitte solche beleidigenden Äußerungen über Daniel«, befahl Isaac. »Er hat uns den Gefallen getan, Nicolas, über unsere Zukunft nachzudenken. Eine Sache, an die wir keinen Gedanken verschwendet haben, so selbstbewusst waren wir. Aber Daniel hat recht. Wir sind gescheitert. Unsere Leine war nicht lang genug, um die Tiefen auszuloten, in die wir uns vorgewagt hatten. Wir werden uns umgruppieren und von vorn anfangen müssen. Wir werden Zeit, Geld und Muße brauchen.«
    »Isaac«, sagte Daniel, »vor zwei, drei Jahren, bevor du dich an das Große Werk gemacht hast, das gerade zu Ende gegangen ist, hast du dich bei Pepys, Roger Comstock und anderen nach der Aussicht auf eine Stelle in London erkundigt. Seit damals ist das Trinity College nur noch mehr verarmt – von dieser Seite kann dein Bedürfnis nach einem verlässlichen Einkommen also nicht befriedigt werden. Nun bin ich gekommen, um dir die Münze anzubieten.«
    Alle Anwesenden verharrten ein, zwei Minuten lang in andächtiger Stille, während Isaac den Vorschlag erwog.
    »Unter normalen Umständen wäre die Position uninteressant«, sagte er, »aber Comstock hat mir Andeutungen über eine umfassende Neuprägung zukommen lassen.«
    »Es ist beabsichtigt, dass die Neuprägung dein Großes Werk sein
wird. Und ich sage das nicht im Scherz. Denn vielleicht ist es ja wirklich die einzige Möglichkeit, wie sich das Philosophische Quecksilber zurückgewinnen lässt.«
    »Warum sagst du das?«
    »Hooke konnte das Gesetz des inversen Quadrats nicht in einem Brunnen finden, weil von dem, wonach er suchte, zu wenig vorhanden war, als dass seine Ausrüstung es hätte finden können. Vielleicht hast du das Philosophische Quecksilber aus einem ähnlichen Grund nicht aus Gold extrahieren können.«
    »Du stellst die Hypothese auf, dass meine Methoden vernünftig sind, in meiner Probe jedoch zu wenig von dem gesuchten Stoff vorhanden ist. Ich widerlege deine Hypothese, indem ich dich daran erinnere, dass meine

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