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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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Sich wie gerade eben mit einem Messer auf ihn zu stürzen war nicht
typisch für ihren Charakter, sondern vielmehr ein hübsches Beispiel für die weniger als praktische Seite ihres Wesens, die Bob, der seiner Veranlagung nach nichts als praktisch war, brauchte und wollte. Schon vor elf Jahren hatte er das in der Zeitspanne erkannt, die sein Herz brauchte, um drei Schläge auszusetzen. Und wie durch eine Art Wunder – das einzige Wunder, an dem Bob je beteiligt gewesen war – hatte die junge Frau in ihm gesehen, was sie wollte. Wollte sowohl im Sinne von brauchte als auch im Sinne von begehrte.
    Die Betten der Zeit hattem eine Menge Kissen, da es Usus war, halb sitzend zu schlafen. Abigail war von Bob flach hingelegt worden, schob sich nun aber gegen die Kissen, damit sie ihn betrachten konnte, wie er im Zimmer hin und her ging.
    »Verflucht noch eins!«, lauteten die ersten zärtlichen Worte, die er an sie richtete. »Dafür ist keine Zeit! Ich weiß, dass du dich an mich erinnerst, sonst wärst du nicht in Ohnmacht gefallen.«
    Sie war immer noch blass und wenig geneigt, sich mehr zu bewegen, als sie musste, aber auf ihrem Gesicht erschien ein Lächeln, das ihr das gelassene Aussehen einer Jungfrau Maria in einem Gemälde verlieh. »Selbst wenn ich es fertiggebracht hätte, dich zu vergessen, Lord Upnor und Lord Sheerness hätten es unmöglich gemacht. Es war seltsam, wie oft sie sich bewogen fühlten, die Geschichte zu erzählen, wie du auf der Brücke gestanden und Lord Upnor in meinem Namen herausgefordert hast.«
    »Ach, das war schmachvoll.«
    »Stimmt, und sie haben die Geschichte erzählt, um sich über dich lustig zu machen; aber für mich war es eine Liebesgeschichte, an der ich mich nie satthören konnte.«
    »Trotzdem schmachvoll. Genau wie meine zweite Begegnung mit Upnor, von der du vielleicht nicht gehört hast. Gott sei Dank kam Teague mit seinem Prügel des Weges! Aber dafür haben wir jetzt keine Zeit. Verflucht, da kommt er schon!«
    » Wer!?«, rief Abigail.
    »Wollte dich nicht beunruhigen, Miss. Es ist nicht Monsieur le Comte, sondern Oberst Barnes. Er kommt hierher. Hörst du, wie sein Holzbein auf der Treppe den Takt schlägt? Wir müssen hier raus.«
    Bob bewegte sich zur Tür der Schlafkammer. Abigail sah mit gerunzelter Stirn zu, da sie nicht wusste, ob Bob die Absicht hatte zu fliehen, die Tür zu verrammeln oder den Oberst willkommen zu heißen. Doch stattdessen erregte ein Detail der Tür Bobs Aufmerksamkeit. Er
streckte die Hand aus und berührte – liebkoste – die obere Angel: zwei schmiedeeiserne Bänder, das eine an der Tür, das andere am Pfosten befestigt und beide durch einen kurzen Eisenstift miteinander verbunden, der ungefähr so dick war wie sein kleiner Finger. »Dann also rasch: ein paar Augenblicke auf dem Marktplatz in Taunton, vor elf Jahren, als ich dir mit dem albernen Banner geholfen habe, das der auffrischende Wind herunterriss – weißt du noch? Diese Momente sind für mein Leben, was der Scharnierstift für die Tür ist; das heißt, alles drehte und dreht sich darum; es ist gleichsam das, worum es sich bei mir dreht, und gleichzeitig hält es alles zusammen. Nimmt man es weg« – und hier zog Bob, der seiner Zunge nicht traute, einer spontanen Eingebung folgend ein Messer aus seinem Gürtel, schob die Klinge unter den pilzförmigen Kopf des Stiftes und hebelte ihn frei. Er hob die Tür mit einer Hand an, zog den Stift mit der anderen nach oben heraus und ließ los. Der Stift klirrte auf den Boden. Die Tür krachte schief herunter, bekam einen Riss und ließ sich nicht mehr richtig bewegen, sondern hing arg schief und wackelig an einer Angel.
    »Ein Augenblick bleibt uns noch, leider ist er nicht länger als der erste. Wie willst du es haben, Abigail?«
    »Was genau meinst du?«
    Die kaputte Tür beäugend, trat Barnes vorsichtig ins Zimmer. Er bedachte Bob mit einem bedeutungsvollen Blick; dann erinnerte er sich seiner Manieren, drehte sich zackig zu Abigail um und verbeugte sich. »Miss Frome! Sergeant Shaftoe hat Eure Schönheit so oft gerühmt, dass es mich langweilte; da ich Euch nun persönlich sehe, verstehe ich ihn, bereue und werde nie wieder gähnen und mit den Fingern auf dem Tisch trommeln, wenn das Thema aufkommt, sondern in Sergeant Bobs Loblied einstimmen.«
    »Danke...«, begann Abigail, aber Barnes war schon weiter.
    »Habt Ihr sie schon gefragt?«
    »Nein, hat er noch nicht«, sagte Abigail, denn Bob war sprachlos.
    »Runter«, sagte Barnes,

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