Confusion
Deserteuren festzunehmen und sie aufzuhängen. Niemals kam es mir in den Sinn, dass es sich um Engländer handeln könnte, bis ich beim Galopp über eine Weide ein Stück weit die Straße hinunter auf ein ganzes Nest von ihnen stieß und sie in ihrem Kauderwelsch reden hörte. Ich ritt zum Haus zurück und musste feststellen, dass in meiner Abwesenheit plötzlich über hundert Mann aus den bewaldeten Schluchten, die zur Meuse hinabführen, aufgetaucht und in einem coup de main das Anwesen eingenommen hatten! Während ich noch verblüfft hinsah, verdoppelte sich ihre Anzahl! Ich wollte nach Norden reiten, um Hilfe zu holen, aber...«
»Die Straßen waren blockiert worden«, sagte Barnes. »Und dann kam zufällig ich des Weges. Gott sei Dank! Denn noch ist Zeit zu verhindern, dass sich die Sache zu so etwas wie einem Zwischenfall auswächst.«
Die Augenbrauen des Kavaliers fuhren so hoch, dass sie fast unter dem Rand seiner Perücke verschwanden. »Monsieur! Es ist bereits ein Zwischenfall. Unter keinen Umständen erlauben die Regeln des Krieges ein derartiges Vorgehen!«
»Ich bin voll und ganz Eurer Meinung, und als englischer Gentleman entschuldige ich mich in aller Form bei Euch. Doch hört nur zu und bedenkt, was Graf Sheerness selbst tun würde, wenn er hier wäre. Der Graf ist Engländer, lebt in Frankreich und befehligt ein Regiment, das, wie ich Euch wohl kaum eigens sagen muss, tapfer und loyal auf französischer Seite kämpft. Doch bestimmt gibt es in den Sälen von Versailles Höflinge, die, weil sie nicht hier sind und Zeugen seiner Tapferkeit auf dem Schlachtfeld werden, tuscheln: ›Können wir denn darauf vertrauen, dass uns dieser Angelsachse nicht verrät?‹ Lächerlich, ich weiß, und ungerecht«, fuhr Barnes fort und hob eine Hand, um den Kavalier zu beruhigen, der so aussah, als stünde er im Begriff, den unverschämten Barnes mit seiner Reitpeitsche zu züchtigen, »aber in diesen wirren Zeiten ein Faktum der menschlichen Natur. Nun hat diese Bande...«
»Ich würde sie Bataillon nennen, und nicht Bande!«
»...von englischen Deserteuren...«
»Seltsam disziplinierte Deserteure, Monsieur...«
»Die weit hinter den feindlichen Linien orientierungslos umherirrte...«
»Ist das ein Umherirren? Sind sie orientierungslos?«
»Durch einen aberwitzigen Zufall auf dem Gelände des Quartiers von Monsieur le Comte de Sheerness ein Lager aufgeschlagen. Das hat absolut nichts zu bedeuten, wie wir beide deutlich sehen können, aber in Versailles gibt es Leute, die zwangsläufig etwas hineindeuten werden! Graf Sheerness wird im Tower von London festgehalten, nicht wahr?«
»Offensichtlich wisst Ihr sehr wohl, dass es so ist.«
»Einige werden vielleicht unterstellen, dass er nicht so sehr festgehalten wird, als vielmehr freiwilliger Gast ist und mit König Wilhelm und den King’s Own Black Torrent Guards zusammenarbeitet, die zufällig im Tower ihr Hauptquartier haben.«
Der Kavalier war mittlerweile so aufgebracht, dass er, um Barnes nicht auf der Stelle zu ermorden, nur sein Pferd herumreißen, ein paar Yard die Straße entlanggaloppieren, es erneut herumreißen und zurückgaloppieren konnte. Bis er von diesem Abstecher zurückkehrte, hatte er den Mund geöffnet, um Barnes eine ausgesuchte Bemerkung entgegenzuschleudern; doch Barnes, der seinen Säbel ein paar Zoll aus der Scheide gezogen hatte, riss ihn nun vollends heraus und zeigte damit durch das Gitterwerk des Tors. Das lenkte die Aufmerksamkeit des Kavaliers zunächst auf den Säbel selbst, dann auf ein halbes Dutzend Männer, die, eine geladene Muskete im Arm, wachsam knapp hinter dem Tor standen.
»Dies«, verkündete Barnes, » sind die King’s Own Black Torrent Guards. Ich empfehle, dass wir sie so rasch wie möglich dort wegbringen, ehe es ernsthafte Schwierigkeiten gibt.«
»Wie ich schon vermutete«, sagte der Kavalier, »handelt es sich um eine Art Erpressung. Was wollt Ihr?«
»Ich will, dass Ihr die Gelegenheit ergreift zu schweigen, Monsieur, und eine Zeitlang hier zu warten, damit ich hineingehen, mit ihren Anführern verhandeln und sie davon überzeugen kann, dass es in ihrem besten Interesse liegt, unverzüglich und ohne Plündern abzuziehen.«
Nach einem zweiten Blick auf die Musketiere und eine weitere,
ähnliche Formation, die auf der nahe gelegenen Straße erschienen war, akzeptierte der Kavalier diese Bedingungen mit einem Nicken. Barnes lenkte sein Reittier zum Tor, das für ihn geöffnet wurde. Er stieg ab und
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