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Confusion

Confusion

Titel: Confusion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson , Nikolaus Stingl
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entstanden war, dass die Besatzung Ballaststeine durch die Stückpforten hinausgerollt hatte. Die Wellen begannen, die Minerva hin und her zu stupsen, während ihr Kiel sich von dem Riff löste. Schließlich erklang ein Jubelgeschrei, und mehrere Kanonen feuerten Signal- und Freudenschüsse ab. Dreieckige und trapezförmige Segel verhüllten nach und nach ihre Spieren. »Schaut nur, wie aufrecht sie sich hält, selbst bei zu geringem Ballast«, hatte Jack bemerkt.
    »Auf den Trick, das Thema zu wechseln, falle ich nicht herein«, sagte de Gex.
    »Oh, das tue ich gar nicht«, antwortete Jack, aber de Gex machte bereits unverdrossen weiter mit seinem Verhör.
    »Vrej behauptet, Bauholz und Arbeit seien in Hindustan praktisch umsonst zu haben. Seine Überprüfung der Bücher hat ergeben, dass zu viel Gold fehlte, und, gleichgültig, was ich von seiner Theologie halte, würde ich doch niemals seine Buchführung in Zweifel ziehen.«
    »Mit diesem speziellen Thema ist Vrej mir nun fast acht Jahre lang auf die Nerven gegangen«, antwortete Jack. »Als er neulich dort draußen über die Reling sprang, war das Erste, was ich empfand – noch bevor mir klar wurde, dass er uns verraten hatte – einfach Freude. Freude darüber, dass ich mir nie mehr einen Vortrag von ihm zu diesem Thema anhören muss. Das Vergnügen werdet Ihr jetzt haben.«
    »Vrej hat mir seine Vermutungen mitgeteilt. Er sagte, immer wenn er dieses Thema ansprach, hätten die anderen es achselzuckend mit allerhand vagen Bildern abgetan, wie etwa dem, ›den Weg zu ebnen‹ oder Ähnliches...«
    »Wir sind jetzt alles alte Seebären und bevorzugen nautische Redewendungen«, antwortete Jack. »Statt von einem Weg zu sprechen, der geebnet werden muss, würden wir eher an Schiffsrümpfe denken, die von Bernakelmuscheln überzogen und dadurch verlangsamt sind, und wir würden von dem Bemühen sprechen, sie glatt zu halten, damit sie unbehindert durchs Wasser gleiten.«

    »Wie dem auch sei – ich nehme an, das ist eine zweideutige Art zu sagen, dass Bestechungsgelder an irgendeinen Mogul oder Marathenanführer gezahlt wurden, stimmt’s?«
    »Nehmt an, was Ihr wollt – das Gold wäre immer noch weit von Euch entfernt«, bemerkte Jack. Er schaute aufs Meer hinaus und beobachtete, wie auf der Minerva die Segel getrimmt wurden, als sie aus der Leeseite des Sghr herauskam und anfing, über den Backbordbug zu segeln. Eine nach der anderen schwenkten die Rahen herum, und ihre Segel hörten auf zu flattern, als die Matrosen sie dichtholten und hart an den Wind gingen. Sofort begann die Minerva zu krängen und Fahrt aufzunehmen. Doch de Gex versperrte Jack die Sicht, indem er die Schultern breit machte und sich mit dem Gesicht unmittelbar vor seinem aufpflanzte. »Euer Schiff mag jetzt frei sein, Jack, aber Ihr scheint vergessen zu haben, dass Ihr nicht an Bord sein. Ihr seid jetzt in meiner Hand.«
    »Ich dachte, ich sei in Leroys Hand«, sagte Jack und äußerte damit nicht mehr als eine kühne Vermutung; ein Blick in de Gex’ Gesicht zeigte ihm jedoch, dass er richtig lag.
    »Mein Orden ist am Hof Seiner Majestät nicht ohne Einfluss«, sagte de Gex. »Vrej Esphahnian konnte in seinem Bemühen, das von dem Juden gestohlene Gold zu finden, nicht mehr tun als Euch zu langweilen. Ich dagegen habe weit mehr Möglichkeiten.«
    Jack verdrehte die Augen. »Jetzt macht aber mal halblang! Wenn wir vorgehabt hätten, Vrej zu bestehlen, hätten wir das richtig gemacht. Wir haben ihn nur aufgezogen, wir sind keine Diebe.«
    »Wo ist dann das Gold König Salomons?«
    »Dreht Euch um«, antwortete Jack.
    Endlich drehte de Gex sich um. Der Hafen unterhalb des Schlosses war voll mit französischen Schiffen, von denen die meisten vor Anker lagen; die wenigen, die zum Auslaufen bereit waren, versuchten jetzt allerdings verzweifelt, mehr Segel zu setzen. Auf ihren Decks wimmelte es von Matrosen, die von unter Deck heraufgekommen waren wie Ameisen aus einem zerstörten Ameisenhügel. De Gex konnte sich den Grund dafür nicht erklären, bis ihm auffiel, dass jeder Kieker und jeder ausgestreckte Finger im Hafen auf die Minerva gerichtet war, hinter der in einer Entfernung von mehreren Seemeilen einige französische Schiffe versuchten, die Verfolgung aufzunehmen. Van Hoek – der von einem auf dem Poopdeck festgezurrten Krankenbett aus das Kommando führte – hatte sie für ein so leicht beladenes
Schiff gefährlich weit auf die Seite legen lassen, aber sie kenterte nicht und schien eher

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