Congo
lernen.«
Doch in den beiden ersten Stunden gab es auf dem Ragora keine Mißgeschicke. Es war außerordentlich friedlich, im Bug des Boots zu sitzen und zuzusehen, wie der Urwald an beiden Ufern in zeitlosem Schweigen an ihnen vorbeiglitt es war eine geradezu hypnotisierende Stimmung.
Allerdings war die Idylle heiß, so daß Karen Ross die Hand über den Rand ins schlammige Wasser hängen ließ, bis Kahega ihr das verwehrte. »Wo Wasser ist, ist auch immer mamba«, sagte er.
Kahega wies auf die Schlammbänke, auf denen sich Krokodile in der Sonne rekelten, die von ihrem Näherkommen keinerlei Notiz zu nehmen schienen.
Gelegentlich gähnte eines der riesigen Reptile und streckte dabei gezackte Kiefer in die Luft, doch meistens schienen sie einfach nur träge dazuliegen und sich um nichts zu kümmern.
Elliot war insgeheim enttäuscht. In den Dschungelfilmen, die er gesehen hatte, glitten die Krokodile jedesmal bedrohlich ins Wasser, sobald sich die Bugspitze eines Boots zeigte. »Wollen sie uns nichts tun?« fragte er.
»Zu heiß«, sagte Kahega. »Mamba schläfrig, außer wenn es kühl ist — frißt morgens und nachts, nicht jetzt. Die Kikuyu sagen, tagsüber ist mamba bei der Armee, eins-zwei-drei-vier.« Und er lachte.
Es dauerte eine Weile, bis aus den Erklärungen deutlich wurde, daß Kahegas Stammesgenossen aufgefallen war, wie die Krokodile tagsüber Liegestütze machten, das heißt, ihre schweren Leiber auf ihren Stummelbeinen mit einer Bewegung vom Boden hoben, die Kahega an Übungen zur Körperertüchtigung denken ließ, wie sie bei der Armee an der Tagesordnung waren.
»Weshalb macht sich Munro nur solche Sorgen?« fragte Elliot. »Wegen der Krokodile?«
»Nein«, sagte Kahega. »Wegen der Ragora-Schlucht?«
»Nein«, sagte Kahega.
»Weswegen dann?«
»Nach der Schlucht«, sagte Kahega.
Jetzt begann der Ragora sich zu winden, und als sie um eine Flußbiegung kamen, hörten sie ein sich stetig steigerndes Donnern. Elliot meinte zu spüren, wie das Boot immer schneller wurde und wie das Wasser an den seitlichen Gummiwülsten entlangschoß. Kahega rief laut: »Festhalten!« Dann waren sie in der Schlucht.
Später hatte Elliot nur bruchstückhafte, kaleidoskopartige Erinnerungen: das aufgewühlte, schlammige Wasser, das im Licht der Sonne weiß schäumte, die unkontrollierten, ruckartigen Bewegungen des Boots, Munros Boot, das vor ihnen auf den Wellen tanzte und zu kentern schien, es aber wunderbarerweise nicht tat. Die Fahrt ging jetzt so rasch, daß es schwerfiel, den Blick auf bestimmte Stellen an den vorbeischießenden roten Wänden der Schlucht zu heften. Sie bestanden aus nacktem Fels, von gelegentlichen, sich mühevoll haltenden kleinen Büschen abgesehen. Das erschreckend kalte, schlammige Wasser, das immer wieder über ihnen zusammenschlug, bildete einen scharfen Kontrast zu der heißen, feuchten Luft, und um die schwarzen, aus dem Wasser herausragenden Felsen sprühte die weiße Gischt, so daß sie aussahen wie kahle Schädel ertrunkener Männer. Alles geschah viel zu rasch.
Sie verloren Munros Boot oft minutenlang aus den Augen, wenn riesige Wellen schlammigen Wassers, die an ihm emporleckten, es ihren Blicken entzogen. Das Dröhnen hallte mit sich steigernder Lautstärke von den Felswänden zurück, es wurde Teil ihrer Welt, wo in den Tiefen der Schlucht, in denen die Nachmittagssonne den schmalen Streifen dunklen Wassers nicht mehr erreichte, die Boote durch eine brodelnde Hölle eilten, von Felswänden abprallten, sich um sich selbst drehten, während die Bootsführer brüllten, fluchten und sie mit Paddeln von den Felswänden zurückstießen.
Amy lag auf dem Rücken. Sie war noch immer an einer der Seitenversteifungen festgebunden, und Elliot fürchtete ständig, die Schlammwogen, die über den Dollbord hereinprasselten, würden sie ertränken. Allerdings ging es Karen Ross kaum besser. Mit leiser eintöniger Stimme sagte sie immer wieder: »O mein Gott, o mein Gott, o mein Gott«, während das Wasser in unaufhörlichen Wellen auf sie niederstürzte und sie bis auf die Haut durchnäßte.
Die Natur hielt noch weitere Unbilden für sie bereit. Selbst hier, im brodelnden, dröhnenden Innersten der Schlucht hingen Moskitos in schwarzen Trauben in der Luft und stachen gnadenlos auf sie ein. Es schien unmöglich: inmitten des dröhnenden Chaos der Ragora-Schlucht konnte es keine Moskitos geben — aber sie waren da. Die Boote tobten mit heftigen, zermürbenden Bewegungen durch die
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