Constantine
zu erkennen. Lizzie setzte sich auf und kniff die Augen zusammen, um besser in die Weite sehen zu können. Da war ein Mann in dunkler Kleidung auf der Straße, mit dunklem Haar, es konnte auch eine Mütze sein; er war mit einem Motorrad gekommen, das er beim Absteigen achtlos fallen ließ, ehe er losrannte und auf den Kiesweg einbog, der zum Haus führte, gebückt, als suchte er Deckung.
Ob das Con war? Auf die Entfernung konnte sie ihn nicht zweifelsfrei erkennen, aber seine Kopfbedeckung erinnerte sie fatal an die
Gold-Digger
-Kappe, die sie ihm aufgesetzt hatte, ehe sie zu ihrer Schwester ins Krankenhaus aufgebrochen war.
Aber warum versuchte er, unentdeckt zu bleiben?
»Ist das dein Freund?«, erkundigte sich Sam.
»Ich weiß nicht.« Sie spähte konzentriert hinaus und versuchte, ihn an seiner Silhouette und der Art, wie er sich bewegte, zu identifizieren. »Könnte schon sein.«
Ein Gefühl der Erleichterung ergriff sie. Er war gekommen, um sie zu suchen.
»Was macht er denn?«, fragte Sam.
»Wenn ich das wüsste.«
Con hatte jetzt den Kiesstreifen erreicht, der die Windmühle umgab, und hielt inne. Ob er hier herüber zum Farmhaus sah? Es war schwer zu sagen. Wenn er nach Lebenszeichen suchte, würde er keine finden, denn Charlotte hatte darauf bestanden, ihren Allrad-Mietwagen hinter dem Haus zu parken. Nichts deutete darauf hin, dass sie hier war.
Lizzie wollte schon das Fenster öffnen und ihm entgegenrufen, doch irgendetwas an der Art, wie er sich bewegte, hielt sie auf. Dann verschwand er in der Mühle.
»Vielleicht denkt er, ich bin da drin.«
»Ich sehe mal auf dem Speicher nach«, rief Charlotte ihnen im Vorbeigehen zu und blieb kurz in der offenen Tür stehen. »Du solltest auf mich hören, Lizzie. Der Mann ist ein notorischer Dieb, und daran wird sich nichts ändern. Sei froh, dass du es herausgefunden hast, ehe er dir das Herz und alles Mögliche andere stiehlt. Kannst du dir vorstellen, wie scharf er auf diese Zepter und Diamanten sein muss? Kein Wunder, dass er sich auf dich gestürzt –«
»Char«, sagte Sam leise. »Hör auf.«
Sie setzte ihren Weg durch den Flur fort, kurz darauf hörte er deutlich ihre Schritte auf den Holzstufen, die sich an seinem Ende anschlossen.
»Ich vertraue Con«, sagte Lizzie laut und mit Nachdruck, als wäre diese Aussage umso wahrer, wenn sie sie laut aussprach.
Gerade kam er wieder aus der Mühle, etwas Weißes in der Hand. Lizzie drückte fast die Nase gegen die Scheibe, um zu erkennen, was er da hatte. Als er sich umdrehte, fuhr ein Windstoß in das weiße Bündel, und im Sonnenlicht blitzte etwas Goldenes auf, dann ein bläuliches Gleißen.
»Oh nein«, sagte sie.
»So, so.« Aus Sams Stimme klang Überraschung und Resignation. »Vielleicht hat Charlotte doch recht.«
»Nein.« Lizzie weigerte sich, das zu glauben.
Komm hierher, Con
.
Bitte, such mich. Oder nimm dein Handy, ruf mich an und erzähl mir, was du gefunden hast
.
Nichts dergleichen geschah. Stattdessen wandte er sich wieder der Straße zu.
Lizzies Herz sank, als ihr alles klar wurde.
»Er hat gewusst, dass es dort war«, flüsterte sie. »Er hat es die ganze Zeit über gewusst.« Während sie sich liebten. Während er ihr die Papiere zeigte. Während er sie zum Abschied küsste. Und doch hatte er kein Wort darüber verloren. Einen Moment lang blieb ihr die Luft weg.
Er hatte sie missbraucht. Er hatte die alten Pergamentschriftstücke als Köder benutzt, sie dann zu ihrer Schwester geschickt und …
Im Sichtschutz eines üppigen Fliederbusches blieb er stehen und zog etwas aus der Hosentasche – ein Telefon. Wen wollte er anrufen? Lucy? Paxton? Einen anderen Käufer?
»Nicht zu fassen.« Die Worte blieben ihr beinahe im Hals stecken.
»Du musst die Wahrheit herausfinden«, sagte Sam.
Sie wandte sich zu ihm um. »Ich habe die Wahrheit vor Augen.«
»Es ist nicht immer alles, wie es scheint«, erwiderte er und sah sie aus seinen blauen Augen intensiv an. Dann stand er auf und angelte einen Schlüsselbund aus der Tasche. »Ich bleibe bei Charlotte. Kommst du mit diesem portugiesischen Geländewagen klar?«
Sie nickte.
»Geh.« Er drückte ihr die Schlüssel in die Hand. »Sieh zu, dass du herausfindest, was er treibt, und warum. Ich kann einfach nicht glauben, dass dieser Mann dir wehtun will. Ich habe ihn für einen guten Menschen gehalten.«
»Oh Sam.« Sie blinzelte die verhassten Tränen weg und legte ihre Arme um ihn. »Ich auch.«
»Los.« Er knuffte sie leicht und
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