Conte-Krimi - 13 - Hetzjagd am Grünen See
hatte Moritz auch Hunger und musste versorgt werden. Sogar dann, wenn er mit seinem Herrchen auf dem Hochsitz saÃ.
Micky war so glücklich, dass Moritz wieder gesund war. Vor Freude und Ãbereifer packte er sogar ein Hundespielzeug ein.
Ausgerüstet mit all den vielen schönen Sachen verlieà er das Haus, lange bevor seine Eltern aufwachten.
Als er die Haustür leise hinter sich zuzog, sah er, dass der grüne Jeep nicht vor dem Haus stand. Sein Papa war daheim, das wusste Micky, weil er so laut schnarchte. Also hatte sein Bruder irgendwo anders geschlafen. Das war gut. Dann ärgerten Mama und Papa sich über Olli und vergaÃen Micky dabei. Das war immer so. Heute konnte es Micky sogar recht sein. Sie liebten Olli viel mehr als ihn. Aber wenn Olli etwas angestellt hatte, waren sie immer so mies gelaunt, dass es ihnen egal war, wo Micky gerade steckte. Diese Gelegenheiten hatte er schon immer ausgenutzt, um sich davonzustehlen und zu seinem Freund Steiner zu gehen. Jetzt, wo er sein Adjutant war, hatte er eine groÃe Verpflichtung, der er nachkommen musste. SchlieÃlich wollte er seinen Freund nicht enttäuschen. Zielstrebig eilte er durch den Klostergartenweg, wo nur hässliche Häuser standen. Er bog links ab. Ein lautes Plätschern lieà ihn stoppen. Er blickte in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Er erinnerte sich: Das war der Lumpenbach. Durch den vielen Regen war er voller Wasser und toste wie ein Wasserfall. Je näher Micky der SonnenstraÃe kam, umso leiser hörte er den Bach rauschen. Im Laufschritt überquerte er die StraÃe, die um diese Zeit still und verlassen dalag. Schon stand er am Fuà des Berges, der wie ein schwarzer Schatten vor ihm hochragte. Dort roch es nach Regen, Waldboden und nassem Laub, ein Duft, den Micky liebte. Hier war seine Welt. Zwischen den Tieren und den Bäumen unter freiem Himmel fühlte er sich wohl. Hier wurde er akzeptiert. Hier nannte ihn niemand Schwachkopf. Hier sagte ihm niemand: »Du hast bei uns nichts verloren«. Hier war er willkommen.
In der Dunkelheit musste er gut aufpassen, dass er nicht stolperte. Der Boden war glitschig und nass. Micky kletterte über den fast senkrecht ansteigenden Wildwechsel, den Generationen flinker Hufe ausgetreten hatten, zu einer gefährlich einsehbaren Lichtung hinauf, erkannte die Huf- und Losungsspuren, die ihm verrieten, dass viele Rehe unterwegs waren, und erreichte die Kuppe, die den Namen Sonnenkupp trägt. Aber die Sonne hatte Micky dort schon lange nicht mehr gesehen.
Eine Ricke sprang kurz vor seinen FüÃen auf. Er hatte sie wohl geweckt.
»Entschuldigung«, rief Micky hinterher, aber das Reh war so schnell, es hatte ihn bestimmt nicht mehr gehört.
Eine Schleiereule stieà ihr lang gezogenes, schrilles »Kraich-Kraich« aus. Micky erschrak, beschleunigte seine Schritte. Das sich ständig wiederÂholende Fauchen, nahm einen Ton an, der Glas zum Zerbersten bringen konnte. Gespenstisch zog es durch den dämmernden Morgen. Einige Blätter fielen herab und landeten genau vor Mickys FüÃen. Eichhörnchen kletterten in Windeseile den Stamm einer Eiche hoch. Mickys Augen hatten sich schnell an das schummrige, neblige Licht des Tagesanbruchs gewöhnt, weil er schon viele Stunden bei Nacht und im Morgengrauen im Wald verbracht hatte. Er erreichte den Hauptweg, der ihn genau zu dem Hochsitz führte, wo Steiner schon in ein paar Stunden seinen wohlverdienten Sonntag beginnen wollte. Steiner nannte diese Stunde sein Jägergebet. Wie er Micky erzählt hatte, saà er oft stundenlang auf dieser Kanzel und lieà sich von der Ruhe und der Schönheit begeistern. Micky konnte das gut verstehen. Er machte das auch oft, setzte sich gern an einen Platz zwischen den Bäumen und sah den Tieren zu. Wenn er lange genug still saÃ, kamen die Rehe sogar ganz in seine Nähe. Sie wussten, dass er ihnen nicht wehtun würde.
Langsam wurde es hell. Micky musste sich beeilen, damit er vor Steiner da war. Wenn es eine Ãberraschung werden sollte, durfte sein Freund ihn nicht in der Nähe der Kanzel sehen. Also legte er einen Zahn zu, aber sofort begann sein Herz wild zu schlagen. Die Luft wurde knapp. Hoffentlich kam er nicht zu spät.
In der Dämmerung ragte der Hochsitz majestätisch in den Himmel. Alles war verlassen und still.
Micky freute sich. Mit übermütigen Sprüngen kletterte er die Leiter hoch. Was
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